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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mit meiner Rekonstruktion der Geschehnisse dieser letzten zehn Jahre bis etwa vor einem Monat gelangt. Und wenn dieses Tagebuch nicht nur Ihnen, Capitaine, sondern auch mir dazu verhelfen soll, den Ursprung meiner gegenwärtigen Verwirrung zu finden, dann ist das bisher noch nicht geschehen. Oder hat vielleicht das entscheidende Ereignis gerade in diesen letzten vier Wochen stattgefunden?
    Auf einmal ist mir, als hätte ich Angst, mich noch weiter zu erinnern.
     
    17. April, frühmorgens
     
    Während Taxil noch wütend im Hause umherlief und sich hemmungslos gehenließ, schien Diana gar nichts von dem, was um sie herum geschah, zu bemerken. Im Hin und Her zwischen ihren beiden Zuständen verfolgte sie unsere Besprechungen mit weit aufgerissenen Augen und schien nur aufzuhorchen, wenn der Name einer Person oder eines Ortes etwas wie ein schwaches Licht in ihr entzündete.
    Sie verkümmerte immer mehr zu einer Art Pflanze, mit einer einzigen animalischen Komponente, einer immer erregteren Sinnlichkeit, die sich abwechselnd mal auf Taxil richtete, mal auf Bataille, solange er noch unter uns weilte, mal auf Boullan natürlich und – so sehr ich versuchte, ihr keinen Vorwand zu liefern – mal auch auf mich.
    Diana war mit Anfang zwanzig in unsere Clique gekommen und hatte inzwischen die Mitte Dreißig überschritten. Trotzdem sagte Taxil mit immer schlüpfrigerem Lächeln, je reifer sie werde, desto faszinierender sei sie – als ob eine Frau von über dreißig noch begehrenswert sein könnte. Doch es ist auch wahr, dass seine nahezu baumstarke Vitalität manchmal seinem Blick eine Vagheit verlieh, die irgendwie geheimnisvoll wirkte.
    Aber das sind Perversionen, mit denen ich mich nicht auskenne. Mein Gott, wieso halte ich mich hier bei der fleischlichen Form jener Frau auf, die für uns bloß ein bedauernswertes Werkzeug sein sollte?
     
    * * *
     
    Ich habe gesagt, dass Diana nichts von dem bemerkte, was um sie herum geschah. Vielleicht täusche ich mich: Im März geriet sie in Erregung, vielleicht weil sie weder Taxil noch Bataille mehr zu sehen bekam. Sie hatte eine hysterische Krise, der Dämon, klagte sie, quäle sie grausam, verletze sie, beiße sie, verdrehe ihr die Beine, schlage ihr ins Gesicht – und tatsächlich hatte sie blaue Ringe um die Augen. Auf ihren Handflächen zeigten sich Wundmale, die wie Stigmata aussahen. Sie fragte mich, warum die höllischen Kräfte ausgerechnet bei einer frommen Anhängerin Luzifers so hart zuschlugen, und fasste mich wie hilfesuchend am Ärmel.
    Ich dachte an Boullan, der sich mit Zaubereien besser auskannte als ich. Und tatsächlich, kaum hatte ich ihn gerufen, ergriff sie seine Arme und begann zu zittern. Er legte ihr die Hände auf den Nacken und redete sanft auf sie ein, bis sie sich beruhigte, dann spuckte er ihr in den Mund.
    »Und wer sagt dir, meine Tochter«, fragte er sie, »dass es dein Herr Luzifer ist, der dir diese Quälereien antut? Meinst du nicht, dass dein Feind der Große Feind par excellence ist, jener Aeon, den die Christen Jesus Christus nennen, oder einer seiner angeblichen Heiligen, der dich für deinen palladistischen Glauben bestrafen will?«
    »Aber Monsieur l’Abbé«, sagte Diana verwirrt, »wenn ich Palladistin bin, dann weil ich dem pflichtvergessenen Christus keinerlei Macht zuerkenne. Ich habe mich ja sogar einmal geweigert, eine Hostie zu erdolchen, weil ich es verrückt fand, eine reale Präsenz in etwas anzuerkennen, was doch bloß ein Mehlgebäck war.«
    »Und hier irrst du, meine Tochter. Schau dir an, was die Christen tun, sie anerkennen die Herrschaft ihres Christus, aber deswegen meinen sie nicht, dass es den Teufel nicht gäbe, im Gegenteil, sie fürchten seine List, seine Feindschaft, seine Verführungen. Und so müssen auch wir es tun: Wenn wir an die Macht unseres Herrn Luzifer glauben, dann weil wir überzeugt sind, dass sein Feind Adonai, womöglich auch in Gestalt des Christus, spirituell existiert und sich durch seine Bosheiten manifestiert. Und darum musst du dich darein fügen, das Bild deines Feindes in der einzigen Weise zu zertreten, die einem gläubigen Luziferianer gestattet ist.«
    »Und das wäre?«
    »Die schwarze Messe. Du kannst das Wohlwollen unseres Herrn Luzifer nur erlangen, indem du deine Ablehnung des christlichen Gottes durch die schwarze Messe zelebrierst.«
    Diana schien überzeugt, und Boullan bat mich um Erlaubnis, sie zu einer Versammlung gläubiger Satanisten mitzunehmen, wo er ihr beweisen wolle,

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