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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Doch gleich darauf war ich überzeugt, dass teuflisch nur noch mein Zögern war, denn nichts konnte richtiger, schöner und heiliger sein als das, was ich gerade empfand und was nun an Süße noch jeden Augenblick zunahm. Und gleichwie ein Wassertropfen, der in einen vollen Weinkrug fällt, sich gänzlich auflöst, um die Farbe und den Geschmack des Weins anzunehmen, gleichwie ein glühendes Eisen im Feuer seine ursprüngliche Form verliert und selber zu Feuer wird, gleichwie sich die Luft, wenn durchflutet von den Strahlen der Sonne, zu höchstem Glanze und höchster Klarheit wandelt, dergestalt, dass sie nicht mehr erleuchtet zu sein, sondern selber zu leuchten scheint – so fühlte ich mich vergehen in süßem Verströmen, und gerade noch blieb mir die Kraft, mit den Worten des Psalms zu hauchen: »Siehe, meine Brust ist wie neuer Wein, der neue Schläuche zerreißt!« – Dann sah ich nur noch ein gleißendes Licht und in dem Licht eine glänzende saphirblaue Gestalt, die ganz und gar im lieblichen Schein einer hochrot funkelnden Lohe erglühte, und das gleißende Licht durchdrang die funkelnde Lohe, und die funkelnde Lohe durchdrang die glänzende blaue Gestalt, und das gleißende Licht und die funkelnde Lohe durchfluteten die Gestalt durch und durch.
    Und während ich fast entseelt auf den Körper sank, mit welchem ich mich vereint, begriff ich in einem letzten Aufflackern meiner Lebensgeister: Die Flamme brennt in glänzendem Lichte, in purpurner Kraft und in feuriger Glut; durch das glänzende Licht aber leuchtet sie, durch die purpurne Kraft aber flammt sie, durch die feurige Glut aber wärmet sie! Dann blickte ich in den Abgrund und in die weiteren Abgründe, die sich unter ihm auftaten...
    Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe mit zitternder Hand (nicht wissend, ob sie mir zittert wegen der schrecklichen Sünde, von der ich berichte, oder wegen der sündhaften Sehnsucht nach jenem fernen Geschehen, die mich dabei überfällt), jetzt merke ich, dass ich soeben zur Beschreibung meiner nichtswürdigen Ekstase dieselben Worte gebraucht habe wie vorhin, nur wenige Seiten weiter oben, zur Beschreibung des Feuers, das den gemarterten Leib des Fratizellen Michele verbrannte. Ist es ein Zufall, dass meine Hand als getreue Dienerin meiner Seele dieselben Worte für zwei so ungleiche Dinge gebrauchte? Nein, ich glaube es nicht, denn vermutlich hatte ich damals, als ich diese Dinge erlebte, sie in derselben Weise empfunden und wahrgenommen wie heute, da ich sie beide schreibend nachzuerleben versuche.
    Es gibt anscheinend eine geheime Weisheit, dank welcher Phänomene sehr verschiedener Art mit den gleichen Worten benannt werden können; es ist dieselbe Weisheit, dank welcher die himmlischen Dinge mit irdischen Namen benannt und Gott durch mehrdeutige Symbole als Löwe oder als Panther bezeichnet werden kann – und der Tod als Wunde und die Freude als Flamme und die Flamme als Tod und der Tod als Abgrund und der Abgrund als Verdammnis und die Verdammnis als Lust und die Lust als Passion.
    Wie kam es, dass ich unerfahrener Jüngling damals die Todesekstase, die mich bei dem brennenden Märtyrer in Florenz so bestürzte, mit denselben Worten benannte, mit denen die heilige Hildegard einst die Ekstase des (göttlichen) Lebens beschrieben hatte? Und wie kam es, dass mir dieselben Worte jetzt auch für die (sündige und momentane) Ekstase meines irdischen Sinnengenusses einfielen, der mir doch gleich danach wie ein Gefühl des Sterbens und Vergehens erschienen war? Ich denke darüber nach und versuche, mir Klarheit über die Art meiner Wahrnehmung zu verschaffen: Klarheit über die Art und Weise, wie ich damals, im Abstand von wenigen Monaten, zwei so verschiedene, aber gleichermaßen erregende und schmerzliche Erfahrungen in mich aufnahm, Klarheit auch über die Art und Weise, wie ich an jenem Abend in der Abtei, im Abstand von kaum einer Stunde, erst die eine vor meinem geistigen Auge wiedererstehen ließ und dann die andere sinnlich erlebte, Klarheit schließlich über die Art und Weise, wie ich heute, da ich diese Zeilen schreibe, die beiden Erlebnisse nachempfunden und wie ich sie mir in allen drei Fällen gedeutet und bewusst gemacht habe mit jenen Worten der ganz anderen Erfahrung einer heiligen Seele, die sich auflöste in der Anschauung Gottes. Habe ich lästerlich gesprochen? (Damals? Heute?) Was war ähnlich, was war vergleichbar im Todesverlangen Micheles, in meiner Ekstase angesichts seines Flammentodes, in

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