Die historischen Romane
meinem Verlangen nach körperlicher Vereinigung mit dem Mädchen, in meiner mystischen Scham, mit der ich allegorisch beschrieb, was ich dabei empfand, und schließlich in jenem Verlangen nach freudiger Selbstauflösung, das die Heilige dazu trieb, an ihrer Liebe zu sterben, um weiterzuleben in Ewigkeit? Ist es möglich, dass derart uneinheitliche Phänomene so einheitlich benannt werden können? Und doch ist dies, wie mir scheint, die Lehre, die unsere größten Doctores uns hinterlassen haben: Omnis ergo figura tanto evidentius veritatem demonstrat quanto apertius per dissimilem similitudinem figuram se esse et non veritatem probat. Doch wenn die Liebe zur Flamme und zum Abgrund eine Figur der Liebe zu Gott ist, kann sie dann gleichzeitig eine Figur der Liebe zum Tod und der Liebe zur Sünde sein? Ja, sie kann es, so wie der Löwe und die Schlange Figuren für Christus und für den Bösen sein können. Und wie man sie jeweils richtig zu deuten hat, kann nur von der Autorität der Patres festgesetzt werden – und da ich in der Frage, die mich hier quält, keine Auctoritas habe, an die mein gehorsamer Geist sich wenden könnte, weiß ich nicht, wie ich Klarheit gewinnen soll, und brenne weiter im Zweifel (schon wieder kommt mir die Figur des Feuers in den Sinn, diesmal zur Bezeichnung des Mangels an Wahrheit und der Fülle an Irrtum, die mich zermalmen...). Was widerfährt mir, oh Herr, was geschieht da in meiner Seele, nun, da mich die Strudel der Erinnerungen ergreifen und ich mehrere Zeiten zugleich in mir auflodern lasse, als wollte ich Hand anlegen an die Ordnung der Himmelsgestirne und an ihre kosmischen Bahnen? Kein Zweifel, ich überschreite die Grenzen meines sündigen, siechen und schwachen Verstandes! Zurück zu der Aufgabe, die ich mir in Demut gesetzt!... Wohlan, ich sprach von den Erlebnissen jener Nacht und von der totalen Gefühlsverwirrung, in die sie mich gestürzt hatten. Dies war es, was ich berichten wollte, so gut es mir mein Gedächtnis erlaubt, und hierauf möge sich meine schwache Feder beschränken in treuer Erfüllung ihrer Chronistenpflicht!
Ich weiß nicht, wie lange ich neben dem Mädchen auf dem Boden lag. Sanft streichelte ihre Hand weiter meinen nun schweißgebadeten Leib. Ein innerer Jubel durchströmte mich, der nicht eigentlich Friede war, eher das letzte Aufflackern eines unter der Asche noch weiterglimmenden Feuers, dessen Flammen bereits erloschen sind. Wahrlich, ich würde nicht zögern (murmelte ich wie im Traum), jeden Sterblichen selig zu nennen, dem es vergönnt ist, solch eine wunderbare Erfahrung zu machen, sei's auch nur selten in diesem Leben, sei's auch nur einmal (wie es bei mir in der Tat der Fall war), sei's auch nur für die Dauer eines winzigen Augenblicks. Es ist, als ob man verginge, als ob man schwerelos würde und nichts mehr spürte vom niederdrückenden Erdengewicht des Körpers, und wer von den Sterblichen (sagte ich mir) auch nur einen verschwindend kurzen Moment lang kosten könnte von dem, was ich soeben gekostet, er würde fortan mit Unwillen auf diese ganze perverse Welt herabsehen, würde sich abwenden von der Niedertracht des alltäglichen Lebens, würde die Hinfälligkeit des plumpen und starren Körpers empfinden... War es nicht das, was man mich immer gelehrt hatte? Ja, und diese unwiderstehliche Einladung an meinen Geist, sich ganz und gar zu vergessen in der Glückseligkeit, das war gewiss (jetzt begriff ich es) die Strahlkraft der Sonne, und die gleißende Freude, die sie hervorbringt, öffnet, erweitert, vergrößert den Menschen, und der klaffende Abgrund in seinem Innern schließt sich nicht wieder so leicht, denn er ist die Wunde, die das Schwert der Liebe geschlagen hat, und es gibt nichts hienieden, was süßer und schrecklicher wäre. Dies aber ist das Recht der Sonne, dass sie ihre Strahlen wie Pfeile schießt in die Wunde, und alle Schründe und Falten erweitern sich, der Mensch tut sich auf und geht auseinander, die Adern platzen, die Muskeln befolgen nicht mehr die Befehle des Hirns, sie lassen sich nur noch treiben vom Verlangen der Sinne, und der Geist lodert auf, eingetaucht in die Abgründe dessen, was er auf einmal berührt, und sieht sein eigenes Verlangen und seine eigene Wahrheit fortgerissen und überwältigt von dieser neuen, erlebten Wirklichkeit. Und staunend wird er zum Zeugen der eigenen lustvollen Ohnmacht...
Überströmt von derart unsäglichen Glücksgefühlen schlief ich ein.
Als ich die Augen nach einiger
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