Die historischen Romane
zu berühren, ging plötzlich ein strahlendes Lächeln über ihr Antlitz, und mit einem leisen Seufzer wie von einer Ziege, die sich hat erweichen lassen, löste sie die Bänder, die ihr Kleid über der Brust zusammenhielten, und streifte es ab und stand vor mir, wie Eva einst vor Adam gestanden sein musste im Garten Eden. » Pulchra sunt ubera quae paululum supereminent et tument modice« , murmelte ich die Worte, die ich von Ubertin vernommen, denn ihre Brüste erschienen mir wie zwei junge Rehzwillinge, die unter Lilien weiden, ihr Nabel war wie ein runder Becher, dem nimmer mangelt würziger Wein, und ihr Bauch wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen.
» O sidus clarum puellarum «, rief ich entzückt, » o porta clausa, fons hortorum, cella custos unguentorum, cella pigmentaria! « Und es zog mich hin zu ihr mit Macht, und ich spürte die Wärme ihres Körpers und den herben Geruch niegekannter Salben. Und der Spruch schoss mir durch den Sinn: »Kinder, wenn euch die Liebesglut überkommt, gibt es kein Halten mehr«, und ich begriff, dass ich nichts mehr vermochte gegen die Regung, die mich trieb, mochte das, was ich da empfand, nun höllische Machenschaft oder himmlische Gabe sein. » O langueo «, rief ich aus, und: »Causam languoris video nec caveo!« Auch weil es von ihren Lippen wie Honig troff und ihre Beine wie Säulen waren und ihre Füße zierlich in den Sandalen standen und ihre Lenden sich bogen wie zwei Spangen, die des Meisters Hand gemacht hat. Oh Liebe, Tochter der Wonne, ein König hat sich in deiner Flechte verfangen, murmelte ich zu mir selbst, und dann lag ich in ihren Armen, und gemeinsam fielen wir auf den blanken Boden, und wenig später, ich weiß nicht, ob durch mein Betreiben oder durch ihre Kunst, sah ich mich meiner Kutte entledigt, und wir schämten uns nicht unserer Leiber, et cuncta erant bona.
Und sie küsste mich mit den Küssen ihres Mundes, und ihre Liebe war lieblicher denn Wein, und der Geruch ihrer Salben übertraf alle Würze, und ihre Wangen standen lieblich in den Kettchen und ihr Hals in den Schnüren. Siehe, meine Freundin, du bist schön, siehe, schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen (murmelte ich), lass mich dein Angesicht sehen, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist wohlklingend und dein Angesicht zauberhaft, du hast mich verzaubert, du hast mich vor Liebe krank gemacht, meine Schwester, du hast mir das Herz genommen mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer, deine Lippen sind wie triefender Honigseim, Honig und Milch ist unter deiner Zunge, deines Atems Duft ist wie der Duft von Granatäpfeln, deine Brüste sind wie Trauben, Trauben am Weinstock, dein Gaumen ist wie erlesener Wein, der meiner Liebe glatt eingeht, der mir über Lippen und Zähne fließt... Ein Gartenbrunnen bist du, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, Myrrhen und Aloe. Und ich schlürfte meinen Nektar und meinen Honig, ich trank meinen Wein und meine Milch – wer war sie, wer, die da aufging vor mir wie die Morgenröte, schön wie der Mond, strahlend wie die Sonne und schrecklich wie eine waffenstarrende Heerschar?
Oh Herr, wenn die Seele entrückt ist, dann bleibt als einzige Tugend allein zu lieben, was man erschaut (ist das nicht wahr?) und als höchstes Glück einfach zu haben, was man hat, dann trinkt man das selige Leben an seiner Quelle (ward nicht so geweissagt?), dann kostet man von jenem wahren Leben, das uns nach dem Ende des sterblichen Lebens beschieden ist an der Seite der Engel in Ewigkeit... So dachte ich bei mir, und mich dünkte, als ob diese Prophezeiungen sich erfüllten, während das Mädchen mich mit unsäglichen Liebkosungen überschüttete. Und mir war, als wäre mein Körper ganz und gar Auge geworden, hinten und vorn, und ich sah alles rundum mit einem Blick. Und ich begriff, dass eben diesem Blick, der die Liebe ist, zugleich die Einheit und die Zartheit und die Güte und der Kuss und die Umarmung entspringen, wie ich früher bereits gehört hatte, glaubend, es wäre dabei von ganz anderen Dingen die Rede gewesen. Und nur einmal, als mein Entzücken sich seinem Gipfel näherte, kam mir kurz in den Sinn, dass ich womöglich gerade in diesem Moment, noch dazu inmitten der Nacht, die Beute des Mittagsdämons war, der bekanntlich dazu verdammt ist, am Ende stets seine wahre Teufelsnatur zu offenbaren, wenn ihn die Seele in höchster Ekstase fragt: »Wer bist du?« – ihn, der Leib und Seele bis zu diesem Moment zu täuschen vermag.
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