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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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allmählich die Wirkung des grünen Honigs nachließ: »Vielleicht werden wir eines Tages hingehen, lanquan li jorn son lonc en mai , wenn lang die Tage sind im Mai ...«
    Boron fing leise an zu lachen.
     
    »Du siehst, Kyrios Niketas«, sagte Baudolino, »wenn ich nicht den Versuchungen dieser Welt erlag, verbrachte ich meine Nächte damit, mir andere Welten vorzustellen. Ein bisschen mit Hilfe des Weins, ein bisschen mit Hilfe des grünen Honigs. Es gibt nichts Besseres, als sich andere Welten vorzustellen«, erklärte er, »um zu vergessen, wie leidvoll die ist, in der wir leben. So jedenfalls dachte ich damals. Ich hatte noch nicht begriffen, dass man, wenn man sich andere Welten vorstellt, am Ende auch diese verändert.«
    »Versuchen wir fürs erste, heiter in dieser zu leben, die Gott uns zugewiesen hat«, sagte Niketas. »Schau, was unsere unvergleichlichen Genueser für Köstlichkeiten der hiesigen Küche bereitet haben. Probier nur einmal von dieser Suppe aus verschiedenen Meeres- und Flussfischen. Vielleicht habt ihr ja auch gute Fische in euren Ländern, obwohl ich mir vorstellen kann, dass sie in eurer beißenden Kälte nicht so gut gedeihen wie hier in der warmen Propontis. Wir würzen die Suppe mit in Olivenöl gerösteten Zwiebeln, Fenchel und anderen Kräutern sowie zwei Bechern trockenen Weines. Du gibst sie auf zwei Scheiben Brot, und du kannst Avgolemonos dazu nehmen, das ist diese Sauce aus Eidotter und Limonensaft mit einem Spritzer Brühe. Ich denke, so müssen Adam und Eva im Irdischen Paradies gespeist haben. Freilich vor dem Sündenfall. Danach haben sie sich wohl eher mit Kutteln begnügt, wie in Paris.«

 
    9. Kapitel
    Baudolino tadelt den Kaiser
    und verführt die Kaiserin
     
    Unterdessen hatte Baudolino, mal mit nicht sehr ernsthaften Studien, mal mit Phantastereien über den Garten Eden, vier Winter in Paris verbracht. Es drängte ihn, Friedrich wiederzusehen und mehr noch Beatrix, die in seiner erhitzten Phantasie mittlerweile alle erdnahen Züge verloren hatte und zu einer Bewohnerin jenes Eden geworden war, fast wie Abduls ferne Prinzessin.
    Eines Tages hatte Rainald den Poeten um eine Ode auf den Kaiser gebeten. Der entsetzte Poet, der nicht mehr aus noch ein wusste und, um Zeit zu gewinnen, seinem Herrn gesagt hatte, er müsse erst noch auf die richtige Inspiration warten, sandte einen Hilferuf an Baudolino. Dieser verfasste ein exzellentes Gedicht, Salve mundi domine , in dem er Friedrich über alle anderen Herrscher stellte und sein Joch als süß bezeichnete. Aber er wollte sich nicht darauf verlassen, es durch einen Boten zu schicken, sondern beschloss, selbst nach Italien zu reisen, wo inzwischen so viele Dinge geschehen waren, dass er Mühe hatte, sie für Niketas zusammenzufassen.
     
    »Rainald hatte sein Leben damit verbracht, ein Bild des Kaisers als Herrn der Welt zu schaffen, als Friedensfürst, Quell allen Rechts und niemandes Untertan, rex et sacerdos , König und Priester zugleich, wie Melchisedek, und so konnte es nicht ausbleiben, dass er mit dem Papst in Konflikt geriet. Nun war jener Papst Hadrian, der Friedrich in Rom gekrönt hatte, zur Zeit der Belagerung von Crema gestorben, und die Mehrheit der Kardinäle hatte Kardinal Bandinelli zum neuen Papst Alexander III. gewählt. Für Rainald war das eine Ohrfeige, denn zwischen ihm und Bandinelli stand es wie zwischen Hund und Katze, und in der Frage des päpstlichen Primats wich der neue Pontifex keine Handbreit zurück. Ich weiß nicht, wie Rainald es angestellt hat, aber irgendwie hatte er dann erreicht, dass einige Kardinäle und Anhänger des Senats einen Gegenpapst wählten, Viktor IV., den er und Friedrich nach Belieben lenken und benutzen konnten. Natürlich hat Alexander III. sowohl Friedrich wie Viktor unverzüglich exkommuniziert, und es genügte nicht zu erklären, Alexander sei nicht der richtige Papst und seine Exkommunikation sei ungültig, denn einerseits neigten die Könige von Frankreich und England dazu, ihn anzuerkennen, und andererseits war es für die italienischen Städte ein Geschenk des Himmels, einen Papst zu haben, der sagte, dass der Kaiser ein Kirchenspalter sei und man ihm folglich keinen Gehorsam schulde. Zudem kamen Berichte, dass Alexander mit eurem Basileus Manuel verhandelte, auf der Suche nach einem größeren Reich als demjenigen Friedrichs, um sich darauf zu stützen. Wenn Rainald wollte, dass Friedrich als einziger Erbe des Römischen Reiches anerkannt wurde, musste er den

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