Die historischen Romane
Paris erzählt, die gar nicht zu einem Mönch passen wollen. Woher hast du diese Narbe da? Es wundert mich, dass du sie im Gesicht hast und nicht am Hintern!«
»Vielleicht haben dir deine Spione Geschichten von mir in Paris erzählt, aber ich habe überall, ohne Spione zu brauchen, eine schöne Geschichte über dich in Adrianopel gehört. Lieber meine Geschichten mit Pariser Ehemännern als deine mit byzantinischen Mönchen!«
Friedrich erstarrte und wurde bleich. Er wusste sehr gut, wovon Baudolino sprach (der die Sache von Otto gehört hatte). Als er noch Herzog von Schwaben war, hatte er das Kreuz genommen und sich an der zweiten Expedition ins Heilige Land beteiligt, um dem christlichen Reich in Jerusalem zu Hilfe zu kommen. Und während das Heer der Christen sich mühsam voranbewegte, war bei Adrianopel einer seiner Ritter, der sich vom Tross entfernt hatte, überfallen und getötet worden, vermutlich von lokalen Banditen. Es hatte schon einige Spannungen zwischen Lateinern und Byzantinern gegeben, und Friedrich nahm den Zwischenfall als jenen letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Wie damals in Crema packte ihn eine rasende Wut: Er griff ein nahe gelegenes Kloster an und metzelte alle Mönche nieder.
Der Vorfall war als dunkler Fleck auf seinem Namen haftengeblieben; alle taten so, als hätten sie ihn vergessen, und sogar Otto verschwieg ihn in seinen Gesta Friderici , um statt dessen gleich darauf zu erwähnen, wie sich der junge Herzog vor einer heftigen Überschwemmung unweit von Konstantinopel zu retten vermochte – ein Zeichen, dass der Himmel ihm seine schützende Hand nicht entzogen hatte. Der einzige, der die Sache nicht vergessen hatte, war Friedrich selbst, und dass die Wunde der bösen Tat nicht verheilt war, bewies nun seine Reaktion. Nachdem er zuerst erbleicht war, wurde er zornrot, ergriff einen bronzenen Leuchter und stürzte sich auf Baudolino, als wollte er ihn erschlagen. Er konnte sich gerade noch im letzten Moment zurückhalten, ließ die Waffe sinken, als er den Jungen schon am Hals gepackt hatte, und fauchte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an: »Bei allen Teufeln der Hölle, sag nie wieder, was du da gesagt hast!« Dann verließ er das Zelt. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um: »Geh der Kaiserin deine Aufwartung machen, und dann verschwinde wieder zu deinen weibischen Studiengefährten in Paris.«
»Dir werd' ich zeigen, ob ich weibisch bin, dir werd' ich zeigen, wozu ich imstande bin«, knurrte Baudolino, als er das Lager verließ, wobei er selber nicht wusste, was er denn Schreckliches anstellen könnte, er fühlte nur, dass er seinen Adoptivvater hasste und ihm etwas Böses tun wollte.
Immer noch wütend, erreichte er die Unterkunft der Kaiserin. Er küsste artig den Saum ihres Kleides, dann ihre Hand, sie wunderte sich über seine Narbe und fragte besorgt, was das sei. Er antwortete wegwerfend, das sei ein Zusammenstoß mit Straßenräubern gewesen, so was passiere nun mal, wenn man in der Welt umherziehe. Beatrix sah ihn bewundernd an, und man muss sagen, dass dieser Zwanzigjährige mit seinem Löwenkopf, den die Narbe noch männlicher machte, inzwischen ein stattliches Mannsbild geworden war. Die Kaiserin lud ihn ein, sich zu setzen und seine letzten Erlebnisse zu erzählen. Und während sie, unter einem anmutigen Baldachin sitzend, lächelnd stickte, kauerte er sich ihr zu Füßen und begann zu erzählen, ohne recht zu wissen was, nur um seine Erregung zu besänftigen. Doch während er sprach, betrachtete er von unten nach oben ihr wunderschönes Gesicht und machte erneut alle Liebesqualen der letzten Jahre durch – aber nun alle auf einmal, verhundertfacht –, bis Beatrix mit einem ihrer holdesten Lächeln zu ihm sagte: »Aber du hast nicht so viel geschrieben, wie ich es dir befohlen hatte und wie ich es mir gewünscht hätte.«
Vielleicht hatte sie es im schwesterlichen Ton eines sanften Tadels gesagt, vielleicht war es auch nur, um das Gespräch zu beleben, doch für Baudolino konnte Beatrix nichts sagen, ohne dass ihre Worte gleichzeitig Balsam und Gift waren. Mit zitternden Händen griff er in seine Brust, zog die Briefe hervor, seine an sie und ihre an ihn, und flüsterte, während er sie ihr reichte: »Das stimmt nicht, Herrin, ich habe sehr viele geschrieben, und du hast mir geantwortet.«
Beatrix verstand nicht, nahm die Briefe und begann sie zu lesen, halblaut, um die beiden Handschriften besser zu entziffern. Baudolino, der
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