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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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vertraue. Züchtige deine Intelligenz, lerne zu weinen über die Wunden des Herrn, wirf deine Bücher weg!«
    »Ich werde nur eins behalten: das deine«, versetzte William lächelnd. Auch Ubertin lächelte und sagte, einen Finger drohend erhoben: »Narr von einem Engländer! Aber spotte nicht zu sehr über deinesgleichen. Im Gegenteil, wen du nicht lieben kannst, den fürchte! Und hüte dich vor der Abtei. Dieser Ort gefällt mir nicht.«
    »Ich möchte ihn besser kennenlernen«, sagte William zum Abschied. »Gehen wir, Adson.«
    »Du bist unverbesserlich. Ich sage dir, dass mir der Ort nicht gefällt, und du erwiderst, du möchtest ihn besser kennenlernen! Ah!« sagte Ubertin kopfschüttelnd.
    »Übrigens«, fragte William zum Abschluss, schon im Gehen, »wer ist jener Mönch, der das Aussehen einer Bestie hat und die Sprache Babels spricht?«
    Ubertin, der schon wieder auf den Knien war, blickte noch einmal auf. »Salvatore? Ich glaube, den hat die Abtei mir zu verdanken... den und den Cellerar. Als ich damals die franziskanische Kutte ablegte, ging ich für einige Zeit zurück in mein altes Konvent von Casale, und dort fand ich eine Reihe verängstigter Brüder, denen man vorwarf, sie seien Spiritualen meiner ›Sekte‹, wie man sich auszudrücken beliebte. Ich setzte mich für sie ein und erreichte, dass sie meinem Beispiel folgen und den Orden verlassen durften. Zwei von ihnen, Salvatore und Remigius, fand ich dann hier, als ich vor einem Jahr in diese Abtei kam. Salvatore... ja, er sieht wirklich wie eine Bestie aus. Aber er ist sehr dienstbeflissen.«
    William zögerte einen Augenblick. »Ich hörte ihn penitenziagite sagen.«
    Ubertin schwieg. Dann bewegte er eine Hand, wie um einen bösen Gedanken zu verscheuchen, und sagte schließlich:
    »Nein, nein, ich kann es nicht glauben. Du weißt doch, wie diese Laienbrüder sind. Leute vom Land, die vielleicht einen Wanderprediger hörten und die nicht wissen, was sie da nachplappern. Salvatore hat andere Laster, er ist ein gefräßiges Naschmaul und lüstern. Aber niemals verstößt er gegen die Rechtgläubigkeit! Nein, das Übel dieser Abtei ist ein anderes, suche es lieber in denen, dieiane
    zu viel wissen, nicht in denen, die unwissend sind. Errichte nicht auf einem einzigen Wort ein ganzes Verdachtsgebäude!«
    »Das würde ich niemals tun«, erwiderte William. »Ich habe das Amt des Inquisitors niedergelegt, um genau das zu vermeiden. Aber ich achte gern auf die Worte und denke gelegentlich darüber nach.«
    »Du denkst zu viel nach, lieber William! Und du, mein Junge«, wandte der Greis sich zu mir, »hüte dich davor, dem schlechten Beispiel deines Meisters zu folgen! Das einzige, worüber man nachdenken muss, und dessen werde ich mir an meinem Lebensabend bewusst, ist der Tod. Mors est quies viatoris – finis est omnis laboris ... Lasst mich beten.«

 
     
    Erster Tag
GEGEN NONA
    Worin William ein sehr gelehrtes Gespräch führt mit dem Bruder Botanikus Severin.
     
    W ir gingen zurück durch das dunkle Hauptschiff und verließen die Kirche durch dasselbe Portal, durch das wir eingetreten waren. Ich hatte noch immer Ubertins Worte im Sinn, alle, und mir schwirrte der Kopf.
    »Er ist... ein seltsamer Mann«, sagte ich zögernd zu William.
    »Er ist – oder war – in vieler Hinsicht ein großer Mann. Doch eben darum ist er seltsam. Nur kleine Menschen scheinen normal. Ubertin hätte leicht einer von jenen Häretikern werden können, die er verbrennen ließ, und ebenso leicht ein Kardinal der heiligen römischen Kirche. Er ist beiden Perversionen sehr nahegekommen. Wenn ich mit Ubertin spreche, habe ich immer den Eindruck, dass die Hölle nichts anderes ist als das Paradies, von der anderen Seite betrachtet.« Ich verstand nicht: »Von welcher Seite?«
    »Nun ja, du hast recht«, gab William zu, »es fragt sich, ob es überhaupt Teile gibt, und es fragt sich, ob es ein Ganzes gibt... Aber hör nicht auf mich. Und schau nicht noch einmal auf dieses Portal«, sagte er und klopfte mir leicht auf die Schulter, als ich mich umdrehen wollte, um die Skulpturen noch einmal zu sehen, die mir vorhin so viel Eindruck gemacht hatten. »Für heute haben sie dich genug erschreckt. Alle.«
    Als wir in den Hof traten, stand vor uns ein anderer Mönch. Er mochte etwa in Williams Alter sein. Er lächelte, verbeugte sich höflich und sagte, er heiße Severin von Sankt Emmeram und sei hier der Bruder Botanikus, dem die Pflege der Bäder, des Hospitals und der Gärten

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