Die historischen Romane
obliege, und er stehe uns zu Diensten, falls wir die Absicht hätten, uns auf dem Gelände der Abtei ein wenig genauer umzusehen.
William bedankte sich und erwiderte, er habe bereits den herrlichen Garten bemerkt, der offenbar nicht nur essbare Pflanzen enthalte, sondern auch medizinische Kräuter, soweit man es unter dem Schnee erkennen könne.
»Zur Sommerzeit oder im Frühling, wenn die Vielfalt seiner Gewächse in voller Blüte steht, singt dieser Garten das Lob des Schöpfers noch besser«, sagte Severin wie zur Entschuldigung. »Doch auch in dieser Jahreszeit sieht das Auge des Botanikers an den trockenen Stängeln, welche Pflanzen hier wieder kommen werden, und ich kann dir sagen, dieser Garten ist reichhaltiger, als es je ein Herbarium war, und farbenprächtiger als die schönsten Anlagen irgendwo sonst. Außerdem wachsen einige Heilkräuter auch im Winter, und andere halte ich wohlversorgt in Töpfen und Krügen bereit, die ich in meinem Laboratorium habe. So werden zum Beispiel Katarrhe mit den Wurzeln des Sauerampfers geheilt, und gegen Hautkrankheiten macht man feuchte Umschläge mit dem Absud von Altheenwurzeln, mit der Klette vernarbt man Ekzeme, mit zerkleinerten und gestampften Rhizomen des Wiesenknöterichs heilt man den Durchfall und manche Frauenleiden, der Pfeffer ist ein gutes Verdauungsmittel, der Huflattich lindert den Husten, wir haben auch Enziane, die gut gegen Verstopfung sind, und Glyzyrrhizine, und Wacholder, um einen guten Tee zu machen, und Holunder, der mit Baumrinde einen stärkenden Sud für die Leber ergibt, und Wiesenschaumkraut, dessen Wurzeln, in kaltem Wasser aufgeweicht, die Entzündung der Schleimhäute lindern, und Baldrian, dessen Vorzüge ihr gewiss kennt.«
»Ihr habt sehr verschiedenartige Kräuter aus sehr verschiedenen Klimazonen. Wie kommt das?«
»Zum Teil verdanke ich sie der Gnade des Herrn, der unser Hochplateau so angelegt hat, dass es von Süden die warmen Winde des Meeres empfängt und von Norden die frische Waldluft aus den höheren Bergen. Zum anderen Teil verdanke ich sie den Errungenschaften der Kunst, die ich nach dem Willen meiner Lehrer erlernen durfte. Manche Pflanzen gedeihen auch in feindlichem Klima, wenn man den Boden und die Nahrung und das Wachstum entsprechend pflegt.«
»Aber Ihr habt doch auch Pflanzen, die nur zum Essen gut sind«, wollte ich wissen.
»Mein hungriger junger Freund, es gibt keine Pflanzen, die nur zum Essen gut sind und nicht auch zur Behandlung von Übeln, wenn man sie in der richtigen Dosierung nimmt. Nur das Übermaß macht sie zu Krankheitsursachen. Nimm zum Beispiel den Kürbis: Er ist von Natur aus kühl und feucht und lindert den Durst, doch wenn du zu viel davon isst, bekommst du Durchfall, und dann musst du ein Gebräu aus Senf und Salzlake trinken, damit deine Eingeweide sich zusammenziehen. Oder die Zwiebel: Warm und feucht, in kleinen Mengen genossen, steigert sie die Potenz (natürlich nur für jene, die nicht unser Gelübde abgelegt haben), doch in zu großen Mengen macht sie dir Kopfschmerzen und muss dann mit Milch und Essig bekämpft werden. Ein guter Grund für einen jungen Mönch«, fügte er maliziös hinzu, »stets nur maßvoll davon zu essen. Nimm lieber Knoblauch. Warm und trocken ist er gut gegen Gifte im Leib. Doch auch hier sollte man nicht übertreiben, er zieht zu viele Säfte aus dem Gehirn. Bohnen dagegen fördern die Urinbildung und machen fett, was beides sehr gut ist, aber sie rufen schlechte Träume hervor. Freilich sehr viel weniger als gewisse andere Gewächse, denn es gibt auch Kräuter, die schlimme Visionen erzeugen.«
»Welche sind das?« fragte ich neugierig.
»He, he, unser Novize möchte zu viel wissen. Diese Dinge darf niemand anderer wissen als der Botanikus, sonst könnte irgendein Bruder Leichtfuß herumlaufen und den Leuten Visionen verabreichen oder Lügen eintrichtern mit Hilfe der Kräuter.«
»Aber es genügt ein wenig Brennesselwurz«, schaltete William sich ein, »oder Roybra oder Olieribus, um sich gegen die Visionen zu schützen.«
Severin sah meinen Meister überrascht von der Seite an. »Interessierst du dich für die Kräuterkunde?«
»Ein ganz klein wenig«, antwortete William bescheiden. »Ich blätterte einmal vor Jahren im Theatrum Sanitatis von Ububchasym de Baldach...«
»Abul Asan al Muchtar ibn Botlan.«
»Oder Ellukasim Elimittar, wie du willst. Ob es hier wohl eine Kopie davon gibt?«
»Mehrere, sehr schöne mit kunstvoll gemalten
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