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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einen Untergebenen behandeln – und die Könige von Frankreich und England wie deine Steigbügelhalter. Erst dann werden die, die heute gesiegt haben, dich wieder fürchten.«
    Friedrich erinnerte sich kaum noch an die Weissagung Ottos, so dass Baudolino sie ihm ins Gedächtnis rufen musste. »Schon wieder dieser Priester?« sagte er. »Existiert der denn wirklich? Und wo befindet er sich? Und wie kann ich ein Heer dazu bewegen, sich auf die Suche nach ihm zu machen? Man würde mich doch für verrückt erklären, ich würde als Friedrich der Irre in die Geschichte eingehen!«
    »Nicht, wenn in den Kanzleien aller christlichen Reiche, Byzanz inbegriffen, ein Brief zirkulieren würde, den dieser Priester Johannes an dich geschickt hat und in dem er dir schreibt, dass er nur dich als seinesgleichen anerkennt und dich einlädt, eure Reiche zusammenzulegen.«
    So kam es, während sie da durch die Nacht gingen, dass Baudolino dem Kaiser den Brief des Priesters Johannes vortrug, den er natürlich längst auswendig konnte, und ihm erklärte, was die kostbarste Reliquie der Welt war, die ihm der Priester in einem Schrein schicken würde.
    »Aber wo ist dieser Brief? Hast du eine Kopie davon? Du wirst ihn doch wohl nicht selber geschrieben haben?«
    »Ich habe ihn in gutes Latein gesetzt, ich habe die verstreuten Teile dessen zusammengesetzt, was die Weisen schon immer gewusst und gesagt haben, ohne dass jemand auf sie gehört hat. Aber alles, was in diesem Brief steht, ist so wahr wie das Evangelium. Sagen wir, wenn du so willst, ich habe von mir aus nur die Adresse hinzugefügt, so als wäre der Brief an dich geschrieben.«
    »Und dieser Priester könnte mir diesen – wie nennst du ihn? –, diesen Gradal geben, in dem das Blut Unseres Herrn aufgefangen worden ist? Das wäre natürlich die letzte und vollkommenste Salbung ...«, murmelte Friedrich.
    Und so entschied sich in jener Nacht, zusammen mit Baudolinos Schicksal, auch das seines Kaisers, obgleich noch keiner der beiden ahnte, wohin sie ihr Weg schließlich führen sollte.
     
    Gegen Morgen, während beide noch über ein fernes Reich phantasierten, entdeckten sie nahe einem Wasserlauf ein verirrtes Pferd, das aus der Schlacht geflohen war und den Weg zurück nicht mehr fand. Mit zwei Pferden kamen sie, wenngleich über tausend Seitenpfade, rascher voran. Unterwegs stießen sie auf Trupps von Kaiserlichen, die sich auf dem Rückzug befanden, die Soldaten erkannten ihren Herrn und stießen Freudenschreie aus. Da sie sich in den Dörfern, durch die sie gekommen waren, mit Lebensmitteln versorgt hatten, gab es genug, um die beiden zu stärken, einige liefen gleich los, um den weiter vorn Marschierenden die frohe Kunde zu bringen, und als Friedrich zwei Tage später die Tore von Pavia erreichte, fand er die Honoratioren der Stadt und seine Getreuen vor, die ihn in großer Zahl erwarteten, noch ohne es recht glauben zu können.
    Auch Beatrix war da, schon in Trauer gekleidet, da man ihr gesagt hatte, dass ihr Gemahl tot sei. Sie hielt ihre beiden Kinder an der Hand, den bereits zwölfjährigen Friedrich, der jedoch wegen seiner angeborenen Krankheit nur höchstens halb so alt aussah, und Heinrich, der dafür die ganze Kraft seines Vaters geerbt hatte, an jenem Tag aber ganz verstört weinte und immer nur fragte, was passiert sei. Beatrix entdeckte Friedrich von weitem, lief ihm schluchzend entgegen und umarmte ihn leidenschaftlich. Als er ihr sagte, dass er sein Leben Baudolino verdanke, bemerkte sie dessen Anwesenheit, wurde erst über und über rot, dann leichenblass, dann brach sie in Tränen aus, und schließlich streckte sie nur die Hand vor, bis sie seine Brust in Höhe des Herzens berührte, und rief den Himmel an, ihn gebührend für alles, was er getan hatte, zu belohnen, wobei sie ihn Sohn, Freund und Bruder nannte.
     
    »Genau in diesem Augenblick, Kyrios Niketas«, sagte Baudolino, »habe ich begriffen, dass ich, indem ich meinem Herrn das Leben rettete, meine Schuld beglichen hatte. Aber gerade deshalb fühlte ich mich nicht mehr frei, Beatrix zu lieben. So wurde mir klar, dass ich sie nicht mehr liebte. Es war wie eine verheilte Wunde, ihr Anblick rief dankbare Erinnerungen in mir wach, aber er ließ mich nicht mehr erzittern, ich spürte, dass ich ihr nahe sein konnte, ohne zu leiden, dass ich mich von ihr entfernen konnte, ohne Schmerz zu empfinden. Vielleicht war ich endgültig erwachsen geworden, und alle Glut der Jugend war erloschen. Ich empfand kein

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