Die historischen Romane
Schlaf sank. In seinen Träumen sah er sich, wie er endlich Zosimos wiederfand und ihm (mitsamt dem Bart) die Karte entriss, um ein Reich zu finden, in dem alle Neugeborenen Thinsiretae und Methagallinarii sein würden. Alexandria mied er, da er fürchtete, dass seine Eltern oder Guasco und dessen Leute von Colandrina und dem nie geborenen Kind reden würden. Oft flüchtete er sich zu Friedrich, der ihn väterlich und verständnisvoll ermunterte und abzulenken versuchte, indem er von schönen großen Unternehmungen sprach, die er zum Wohle des Reiches vollbringen könnte. Bis er ihm eines Tages eröffnete, dass er sich entschlossen habe, eine Lösung für Alexandria zu finden; sein Zorn sei mittlerweile verraucht, und um Baudolino einen Gefallen zu tun, wolle er die alte Wunde heilen und den Stein des Anstoßes aus dem Weg räumen, ohne die Stadt unbedingt zerstören zu müssen.
Dieser Auftrag gab Baudolino neuen Lebensmut. Der Kaiser war inzwischen bereit, mit den lombardischen Städten einen dauerhaften Frieden zu schließen, und Baudolino sagte sich, dass es im Grunde nur noch eine Frage des Starrsinns war. Friedrich ertrug es nicht, dass da eine Stadt existierte, die ohne seine Erlaubnis erbaut worden war und obendrein noch den Namen seines Feindes trug. Wohlan, wenn Friedrich nun diese Stadt neu gründen würde, am gleichen Ort, aber mit anderem Namen, so wie er Lodi an einem anderen Ort, aber mit gleichem Namen neu gegründet hatte, dann würde er ohne Gesichtsverlust aus der Sache herauskommen. Und was die Alexandriner anging, was wollten sie denn? Sie wollten eine Stadt haben, um dort ihren Handel betreiben zu können. Es war reiner Zufall, dass sie sie nach Alexander III. benannt hatten, der inzwischen tot war und sich also nicht mehr beleidigt fühlen konnte, wenn sie sie jetzt anders nennen würden. So kam Baudolino die Idee. Eines schönen Morgens würde Friedrich mit seinen Rittern vor den Mauern von Alexandria erscheinen, alle Einwohner würden herauskommen, eine Schar von Bischöfen würde hineinziehen, würde die Stadt neu weihen, so man denn sagen konnte, dass sie je geweiht worden war, beziehungsweise würde sie umtaufen und ihr den Namen Caesarea geben, also Caesars Stadt, Kaiserstadt, die Ex-Alexandriner würden vor den Kaiser treten und ihm huldigen, dann würden sie wieder hineingehen und die neue Stadt in Besitz nehmen, als wäre es eine andere, vom Kaiser gegründete, und würden glücklich und zufrieden in ihr leben.
Wie man sieht, war Baudolino dabei, seine Verzweiflung mit einem weiteren Meisterstück seiner blühenden Phantasie zu überwinden.
Friedrich fand die Idee nicht schlecht, nur konnte er zu jener Zeit nicht schon wieder nach Italien ziehen, da er andere wichtige Angelegenheiten mit seinen deutschen Lehnsfürsten zu regeln hatte. So übernahm Baudolino die Verhandlungen. Vor der Stadt angelangt, zögerte er hineinzugehen, aber am Tor kamen ihm seine Eltern entgegen, und alle drei zerflossen in befreiende Tränen. Die alten Gefährten taten, als ob er nie geheiratet hätte, und zogen ihn, noch ehe er anfangen konnte, von seinem Auftrag zu sprechen, in die Taverne von einst, wo sie ihn drängten, erstmal einen kräftigen Schluck zu nehmen, aber von einem herben Weißen aus Gavi, der nicht schläfrig machte, sondern erfrischte und den Geist anregte. Dann erzählte Baudolino, was er sich ausgedacht hatte.
Als erster reagierte der alte Gagliaudo: »Wenn man dem länger zuhört, wird man genauso ein Kindskopf wie er. Stellt euch bloß vor, wir sollen dieses Ringelspiel machen, dieses Raus und Rein, du her, ich hin, heißa hopsa trallala ... nein danke, fehlt nur noch, dass jemand dazu aufspielt, und wir tanzen Reigen zum Fest von San Baudolino ...«
»Nein, die Idee ist nicht schlecht«, sagte der Boidi, »aber nachher müssen wir uns statt Alexandriner womöglich Caesariner nennen – Cesarini , bitte, wie klingt denn das, wie stehen wir dann da vor denen in Asti!«
»Hört auf, solchen Unsinn zu reden, man wird uns immer erkennen«, entgegnete Oberto del Foro. »Von mir aus kann der Kaiser die Stadt auch umtaufen, aber vor ihn hintreten und ihm huldigen, das will mir nicht runtergehen. Schließlich sind wir es, die ihm in den Hintern getreten haben, nicht er uns, also soll er sich nicht so aufspielen.«
Der Cuttica aus Quargnento sagte, er hätte nichts gegen das Umtaufen, ihm sei's egal, ob die Stadt Cesaretta oder Cesarone oder wer weiß wie heiße, von ihm aus könne sie auch
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