Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Unglück, denn nun hatte ich dem Sohn, den ich nie gehabt, und der Frau, die ich viel zu kurz gehabt hatte, wenigstens eine Stadt geschenkt, die niemand mehr erniedrigen würde. Vielleicht«, fügte Baudolino beflügelt vom Anislikör hinzu, »vielleicht wird Alexandria eines Tages das neue Konstantinopel werden, das dritte Rom, ganz Türme und Kirchen, ein wahres Weltwunder.«
    »Das wolle Gott«, wünschte Niketas und hob seinen Kelch.

 
    20. Kapitel
    Baudolino findet Zosimos wieder
     
    Ende April unterzeichneten Friedrich und die Lombardische Liga einen endgültigen Friedensvertrag, der dann Ende Juni in Konstanz besiegelt wurde. Zugleich trafen wirre Nachrichten aus Byzanz ein.
    Seit drei Jahren war Kaiser Manuel tot, und auf den Thron gefolgt war ihm sein Sohn Alexios, der noch kaum mehr als ein Kind war. Ein schlecht erzogenes Kind, kommentierte Niketas, ein verwöhntes, unreifes Herrchen, das seine Tage damit verbrachte, sich von leichten Atemzügen zu nähren, ohne schon wahre Freude und wahren Schmerz kennengelernt zu haben, nur interessiert an der Jagd und an Pferderennen, immer umgeben von Spielgefährten, während am Hof allerlei Prätendenten danach trachteten, seine Mutter, die Kaiserin zu erobern, wozu sie sich geckenhaft parfümierten und Halsketten umhängten, wie es die Weiber tun, oder sich darauf verlegten, öffentliche Gelder zu verprassen, jeder stets nur die eigenen Ziele verfolgend und alle einander bekämpfend – als hätte man eine tragende Säule weggezogen und alles hinge kreuz und quer durcheinander.
    »Es bewahrheitete sich ein Unheil verkündendes Zeichen, das beim Tode Manuels aufgetreten war«, sagte Niketas. »Eine Frau hatte ein Kind geboren, einen Knaben mit kurzen, verdrehten Gliedmaßen und einem zu großen Kopf – das deutete man als ein Vorzeichen der Polyarchie oder Vielherrschaft, welche die Mutter der Anarchie ist.«
    »Von unseren Spionen erfuhr ich sofort, dass ein Vetter Manuels, Andronikos, im Hintergrund Ränke spann.«
    »Er war der Sohn eines Bruders von Manuels Vater, also so etwas wie ein Onkel des kleinen Alexios. Bis zu Manuels Tod war er im Exil gewesen, da Manuel ihn als einen Verräter betrachtet hatte. Dann aber hatte er sich unterwürfig dem jungen Alexios genähert, als ob er seine Taten bereute und ihm seinen Schutz anbieten wollte, und so hatte er nach und nach immer mehr Macht gewonnen. Zwischen Komplotten und Vergiftungen setzte er seinen Aufstieg zum Kaiserthron fort, bis er, schon gealtert und von Neid und Hass ganz zerfressen, die Bürger Konstantinopels zum Aufstand trieb und sich zum Mitkaiser ausrufen ließ. Als er die geweihte Hostie nahm, schwor er, die Macht nur zu übernehmen, um seinen Neffen zu schützen, aber gleich darauf ließ er den Knaben Alexios durch seinen treuesten Schergen und Handlanger Stephanos Hagiochristophorites mit einer Bogensehne erdrosseln. Als ihm der Leichnam gebracht wurde, befahl er, ihn auf den Grund des Meeres zu werfen, aber ihm vorher den Kopf abzuschneiden, der dann an einem Ort namens Katabate versteckt wurde. Ich habe nie verstanden, warum, denn es handelt sich um ein altes, schon lange zerfallenes Kloster unmittelbar vor den Mauern Konstantinopels.«
    »Ich kann dir sagen, warum. Meine Spione hatten mir berichtet, dass sich bei dem Hagiochristophorites ein ständig hocherregter Mönch befand, den Andronikos nach Manuels Tod als Experten für Schwarze Kunst zu sich genommen hatte. Wie es der Zufall wollte, hieß er Zosimos und stand im Ruf, in den Ruinen jenes Klosters, wo er sich eine unterirdische Residenz eingerichtet hatte, Totenbeschwörungen vorzunehmen ... So hatte ich Zosimos wiedergefunden oder wusste zumindest, wo er steckte. Das war im November 1184, als Beatrix von Burgund überraschend starb.«
    Erneutes Schweigen. Baudolino nahm einen langen Schluck.
    »Ich verstand ihren Tod als Strafe. Es war nur gerecht, dass nach der zweiten auch die erste Frau meines Lebens starb. Ich war knapp über vierzig Jahre alt. In Tortona soll es eine Kirche geben oder gegeben haben, von der es hieß, dass jeder, der in ihr getauft wurde, vierzig Jahre alt wurde. Ich hatte also die Grenze, die den vom Wunder Beschenkten gesetzt war, bereits überschritten, ich hätte in Ruhe sterben können. Den Anblick Friedrichs konnte ich nicht ertragen: Der Tod seiner Beatrix hatte ihn niedergeschmettert, er wollte sich um seinen ersten Sohn kümmern, der inzwischen zwanzig geworden war, aber immer schwächer wurde, und er

Weitere Kostenlose Bücher