Die historischen Romane
jener Stephanos ein, der zuvor gesprochen hatte. Aus der offenkundigen Lust, mit der er neue Verbrechen vorschlug, schloss Baudolino, dass es sich um Stephanos Hagiochristophorites handelte, den übelsten Schergen des Andronikos, denselben, der den Knaben Alexios erdrosselt und dann geköpft hatte.
»Herr, missachte die Wunder nicht. Du hast doch gesehen, dass auf dem Gesicht des Knaben Zeichen erschienen sind, die dort sicher nicht waren, als er noch lebte. Isaakios Angelos mag ein feiger kleiner Lump sein, aber er hasst dich. Andere noch kleinere und noch feigere Lumpen haben erfolgreiche Anschläge auf große und mutige Männer wie dich gemacht, auch wenn sie dann ... Erteile mir deine Einwilligung, und noch heute Nacht schnappe ich mir den Angelos, reiße ihm eigenhändig die Augen aus und hänge ihn an einer Säule in seinem Palast auf. Dem Volk wird man sagen, du habest ein Zeichen vom Himmel erhalten. Besser sofort einen aus dem Weg räumen, der dich noch nicht bedroht, als einen am Leben lassen, der dich eines Tages bedrohen könnte. Schlagen wir als erste zu.«
»Du versuchst mich zu benutzen, um einen persönlichen alten Groll zu befriedigen«, sagte der Basileus, »aber es kann sein, dass du, während du Böses tust, auch Gutes bewirkst. Schaff mir den Isaakios aus dem Weg. Ich bedaure nur ...«, und dabei sah er Zosimos mit einem Blick an, der diesen wie Espenlaub zittern ließ, »dass wir, wenn Isaakios tot ist, nie erfahren werden, ob er mir wirklich schaden wollte und dieser Mönch also die Wahrheit gesagt hat. Aber letzten Endes hat er mir einen berechtigten Verdacht eingegeben, und wenn man von jemandem Schlechtes denkt, hat man fast immer recht. Stephanos, wir sind gezwungen, ihm unsere Dankbarkeit zu bezeigen. Sorge dafür, dass er bekommt, was er haben will.« Sprach's, winkte seinen beiden Begleitern und ging hinaus, während Zosimos sich langsam von dem Schrecken erholte, der ihn neben seinem Becken hatte erstarren lassen.
»In der Tat hasste der Hagiochristophorites den Isaakios Angelos und hatte sich offensichtlich mit Zosimos abgesprochen, um ihn in Ungnade fallen zu lassen«, sagte Niketas. »Doch indem er seiner Abneigung folgte, hat er seinem Herrn nichts Gutes getan, denn sicher weißt du, dass er seinen Ruin noch beschleunigte.«
»Ja, ich weiß«, sagte Baudolino, »aber im Grunde lag mir an jenen Abend nicht so viel daran zu begreifen, was genau passiert war. Es genügte mir zu wissen, dass ich Zosimos nun in der Hand hatte.«
Sobald die Schritte der königlichen Besucher verklungen waren, stieß Zosimos einen großen Seufzer aus. Im Grunde war sein Experiment gut ausgegangen. Er rieb sich die Hände, deutete ein erleichtertes Lächeln an, holte den Kopf des toten Knaben aus dem Wasser und plazierte ihn wieder auf der kleinen Säule. Dann drehte er sich um, ließ seinen Blick triumphierend durch die ganze Krypta gleiten und brach in ein hysterisches Gelächter aus, wobei er die Arme hob und laut rief: »Ich habe den Basileus in der Hand! Jetzt würde ich nicht mal mehr Angst vor den Toten haben!«
Er hatte noch kaum zu Ende gesprochen, als unsere Freunde langsam ins Licht traten. Wer mit magischen Praktiken umgeht, gelangt nicht selten zu der Überzeugung, dass, auch wenn er selbst nicht an den Teufel glaubt, der Teufel bestimmt an ihn glaubt. Beim Anblick einer Schar von Lemuren, die vor ihm erschien, als sei es der Tag des Jüngsten Gerichts, so plump das Ganze auch sein mochte, reagierte Zosimos mit exemplarischer Spontaneität: Ohne auch nur zu versuchen, seine Gefühle zu verbergen, verlor er die Besinnung und fiel in Ohnmacht.
Er kam wieder zu sich, als der Poet ihn mit zukunftskündendem Wasser besprengte. Er schlug die Augen auf und fand sich eine Handbreit entfernt von der Nase eines Baudolino, der schrecklicher aussah, als wenn er ein Rückkehrer aus der anderen Welt gewesen wäre. In diesem Augenblick wurde Zosimos klar, dass ihn nicht die Flammen einer unbestimmten Hölle erwarteten, sondern unweigerlich die sehr bestimmte Rache seines alten Opfers.
»Es war nur, um meinem Herrn zu dienen«, beeilte er sich zu sagen, »und es war auch, um dir einen Dienst zu erweisen. Ich habe deinen Brief besser in Umlauf gesetzt, als du es hättest tun können ...« Darauf sagte Baudolino: »Zosimos, nicht aus Bosheit, aber wenn ich tun müsste, was mir der Herr eingibt, dann müsste ich dir sämtliche Knochen im Leibe brechen. Da das jedoch sehr mühsam wäre, halte ich
Weitere Kostenlose Bücher