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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Wohlgeruch bemerken ...«
    »Hoffen wir's«, sagte Baudolino. Rabbi Solomon schüttelte den Kopf: »Es muss etwas sein, was ihr Gojim aus dem Tempel zu Jerusalem geraubt habt, als ihr ihn damals geplündert und uns in die Welt zerstreut habt.«
     
    Sie kamen gerade rechtzeitig zur Hochzeit von Heinrich, dem zweiten Sohn Friedrichs, der inzwischen zum König der Römer gekrönt worden war, mit Konstanze von Sizilien. Der Kaiser setzte jetzt alle Hoffnungen auf seinen jüngeren Sohn. Nicht dass er den Erstgeborenen nicht geliebt hätte, im Gegenteil, er hatte ihn sogar zum Herzog von Schwaben ernannt, aber seine Liebe zu ihm war unverkennbar von Trauer beherrscht, wie es bei schlechtgeratenen Kindern vorkommt. Baudolino sah den jungen Friedrich bleich, hustend und ständig mit dem linken Augenlid zuckend, wie um eine Fliege zu vertreiben. Auch während jener prächtigen Festlichkeiten entfernte er sich häufig, und Baudolino sah ihn übers Feld gehen, nervös die Sträucher mit einer Reitgerte peitschend, wie um etwas zu beruhigen, was ihn von innen zerfraß.
    »Das Leben fällt ihm schwer«, sagte Friedrich eines Abends zu Baudolino. Der Kaiser alterte immer mehr, der gute Barbabianca, und er bewegte sich, als hätte er einen steifen Hals. Er ging noch immer auf die Jagd, und wenn er einen Fluss sah, stürzte er sich hinein und schwamm wie in seinen besten Zeiten. Aber Baudolino fürchtete, dass er eines Tages durch die plötzliche Kälte des Wassers einen Schlaganfall kriegen könnte, und sagte ihm ständig, er solle sich vorsehen.
    Um ihn aufzuheitern, erzählte er ihm von den Erfolgen ihrer Expedition – dass sie den treulosen Mönch gefangen hatten, dass sie bald die Karte haben würden, die sie ins Reich des Priesters Johannes führen würde, dass der Gradal kein Märchen sei und dass er ihn eines Tages in seine Hände legen würde. Friedrich nickte. »Der Gradal, ach ja, der Gradal«, murmelte er mit abwesendem Blick, »mit dem könnte ich gewiss ...« Dann wurde er durch eine wichtige Nachricht abgelenkt, seufzte noch einmal auf und ging ächzend daran, seine Pflicht zu tun.
    Hin und wieder nahm er Baudolino beiseite und schilderte ihm, wie sehr ihm Beatrix fehle. Um ihn zu trösten, schilderte ihm dann Baudolino, wie sehr ihm Colandrina fehle. »Oh, ich weiß«, sagte dann Friedrich, »du, der du Colandrina geliebt hast, du kannst verstehen, wie sehr ich Beatrix geliebt habe. Aber vielleicht ist dir nicht richtig bewusst, wie liebenswert sie tatsächlich war.« Und Baudolino verspürte wieder die alten Gewissensbisse.
     
    Im Sommer kehrte der Kaiser nach Deutschland zurück, aber Baudolino konnte nicht mitgehen. Er hatte die Nachricht erhalten, dass seine Mutter gestorben war. Er war sofort nach Alexandria aufgebrochen, und auf dem Weg dorthin dachte er an die Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte und der gegenüber er nie eine echte Zärtlichkeit an den Tag gelegt hatte, außer in jener Weihnachtsnacht vor vielen Jahren, als das Lämmchen zur Welt kam (Donnerwetter, sagte er sich, mehr als fünfzehn Winter ist das schon her, mein Gott, vielleicht sogar achtzehn). Er traf ein, als seine Mutter schon begraben war, und fand Gagliaudo, der die Stadt verlassen und sich in sein altes Haus in der Frascheta zurückgezogen hatte.
    Er lag auf dem Bett, eine hölzerne Trinkschale voller Wein neben sich, entkräftet, nur ab und zu müde die Hand bewegend, um die Fliegen von seinem Gesicht zu verjagen. »Baudolino«, sagte er sofort, »zehnmal am Tag hab ich mich über diese arme Frau geärgert und zum Himmel gebetet, dass er sie mit einem Blitz niederstrecke. Und jetzt, wo der Himmel sie mir niedergestreckt hat, weiß ich nicht mehr aus noch ein. Hier im Haus finde ich nichts mehr, weil sie es war, die immer alles aufgeräumt hat. Ich finde nicht mal mehr die Mistgabel, um den Stall auszumisten, inzwischen haben die Viecher mehr Dünger als Heu. Drum hab ich beschlossen, jetzt auch zu sterben, weil das bestimmt besser ist.«
    Die Proteste des Sohnes halfen nichts. »Baudolino, du weißt, dass wir hier Dickschädel sind, wenn wir uns was in den Kopf gesetzt haben, dann kann uns nichts davon abbringen. Ich bin kein Rumtreiber wie du, der einen Tag hier und einen Tag da ist, ein feines Leben führt ihr Herren! Lauter Leute, die immer nur daran denken, wie sie die anderen umbringen können, aber wenn ihnen eines Tages gesagt wird, dass sie sterben müssen, dann machen sie sich ins Hemd. Ich dagegen hab gut gelebt, ohne

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