Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
mit dem Herrn, und du wirst ins Paradies kommen, das ist wie der Palast des Priesters Johannes. Der Herrgott wird auf einem großen Thron sitzen, hoch oben auf einem Turm, und über der Rückenlehne des Thrones werden zwei goldene Äpfel sein, und in jedem von ihnen werden die ganze Nacht lang zwei große Karfunkel leuchten. Die Armlehnen des Thrones werden aus Smaragd sein. Die sieben Stufen, die zu ihm hinaufführen, werden sein aus Onyx, Kristall, Jaspis, Amethyst, Sardonyx, Karneol und Chrysolith. Und überall ringsum werden goldene Säulen stehen. Und über dem Thron werden Engel fliegen und werden süßeste Lieder singen ...«
    »Und Teufel werden da sein und werden mich mit Fußtritten in den Hintern verjagen, weil an einem solchen Ort einer wie ich, der nach Dung und Jauche stinkt, nicht erwünscht ist. Aber sei jetzt still ...«
    Dann plötzlich riss er die Augen auf und versuchte sich aufzurichten, während Baudolino ihn stützte. »O Herr im Himmel, jetzt sterbe ich wirklich, denn ich sehe das Paradies. Oh, wie schön es ist ...«
    »Was siehst du, Vater?« Baudolino schluckte.
    »Es ist genau wie unser Stall, aber ganz sauber, und da steht auch Rosina ... Und da ist diese Heilige, deine Mutter. He, Alte, sag mir jetzt, wo du die Mistgabel hingeräumt hast ...«
    Gagliaudo gab einen Rülpser von sich, ließ die Schale fallen und blieb reglos liegen, die Augen noch immer weit aufgerissen auf seinen himmlischen Stall gerichtet.
    Baudolino fuhr ihm sanft mit einer Hand über das Gesicht, denn was er jetzt noch sehen musste, sah er auch mit geschlossenen Augen. Dann machte er sich auf, um den Alexandrinern zu sagen, was geschehen war. Die Bürger der Stadt wollten, dass der große Alte ein feierliches Begräbnis mit allen Ehren bekam, denn schließlich war er es gewesen, der die Stadt gerettet hatte, und sie beschlossen, seine Statue über das Portal der Kathedrale zu setzen.
    Baudolino ging noch einmal ins Haus seiner Eltern, um sich ein Andenken zu holen, denn er hatte beschlossen, nie wiederzukommen. Auf dem Boden sah er die hölzerne Trinkschale seines Vaters liegen und hob sie wie eine kostbare Reliquie auf. Er spülte sie sorgfältig ab, damit sie nicht mehr nach Wein roch, denn, so sagte er sich, wenn man eines Tages sagen würde, dies sei der Gradal, dann würde sie nach all der Zeit, die seit dem Letzten Abendmahl vergangen war, nach nichts mehr riechen dürfen – außer vielleicht nach jenen Aromen, die im Glauben, dies sei der Wahre Kelch, sicherlich alle riechen würden. Er wickelte sie in seinen Mantel und nahm sie mit.

 
    23. Kapitel
    Baudolino auf dem dritten Kreuzzug
     
    Als es in Konstantinopel dunkel wurde, machten sie sich auf den Weg. Es war eine vielköpfige Schar, aber in jenen Tagen irrten allerlei Gruppen von Bürgern, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten, wie verlorene Seelen durch die Stadt auf der Suche nach einem Platz für die Nacht. Baudolino hatte sein Kreuzpilgergewand abgelegt, denn wenn ihn jemand angehalten und nach seinem Herrn gefragt hätte, wäre er in Schwierigkeiten geraten. Vor ihnen gingen die Genueser Pevere, Boiamondo, Grillo und Taraburlo mit der Miene von Leuten, die ganz zufällig denselben Weg haben. Aber sie schauten sich an jeder Ecke vorsichtig um und hielten frisch gewetzte Messer unterm Gewand bereit.
    Kurz bevor sie zur Hagia Sophia gelangten, kam ein Individuum mit hellblauen Augen und blondem Schnurrbart auf sie zugerannt, packte eines der Mädchen, so hässlich und pockennarbig es aussehen mochte, und versuchte es mit sich fortzuzerren. Baudolino dachte schon, der Moment sei gekommen, sich in den Kampf zu stürzen, und die Genueser dachten es auch, aber Niketas hatte eine bessere Idee. Er sah einen Trupp Berittener kommen, warf sich vor ihnen auf die Knie und bat sie, an ihre Ehre appellierend, um Hilfe und Gerechtigkeit. Es waren vermutlich Männer des Dogen, sie versetzten dem Barbaren einige Hiebe mit der flachen Klinge, verjagten ihn und gaben das Mädchen der Familie zurück.
    Nachdem sie das Hippodrom hinter sich hatten, wählten die Genueser sicherere Straßen: enge Gassen, in denen alle Häuser ausgebrannt waren oder die Zeichen einer gründlichen Plünderung trugen. Zu holen war da nichts mehr, beutegierige Pilger mussten anderswo sein. Gegen Mitternacht passierten sie die Theodosiosmauer. Draußen warteten schon die übrigen Genueser mit den Maultieren. Die Flüchtlinge verabschiedeten sich von ihren Beschützern mit vielen Umarmungen

Weitere Kostenlose Bücher