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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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als wäre er in Ekstase, und Boron kniete nieder, als er zum ersten Mal den Gegenstand sah, über den er so oft phantasiert hatte, Kyot sagte sofort, ihm scheine, er sehe ein großes Licht aufgehen, Rabbi Solomon räumte ein, dass – obwohl Christus nicht der wahre Messias sei, den sein Volk erwarte – von diesem Gefäß ohne Zweifel ein Weihrauchduft ausgehe, Zosimos riss seine visionären Augen auf und bekreuzigte sich mehrmals verkehrt herum, wie ihr Schismatiker es macht, Abdul zitterte wie Espenlaub und murmelte, wenn man diese heilige Reliquie besitze, sei man so reich, wie wenn man alle überseeischen Reiche zurückerobert habe – und es war klar, dass er die Schale gern als Liebespfand an seine ferne Prinzessin geschickt hätte. Selbst ich hatte feuchte Augen und fragte mich, wieso der Himmel gerade mich als Vermittler dieses wunderbaren Ereignisses ausgesucht hatte. Was den Poeten betraf, so kaute er missmutig an den Nägeln. Ich wusste, was er dachte: dass ich ein Dummkopf sei, dass Friedrich ein alter Mann sei, der nicht wisse, wie man sich diesen Schatz zunutze machen könne, dass wir ihn besser selbst hätten nehmen und in die Länder des Nordens bringen sollen, wo man uns ein Reich dafür gegeben hätte. Angesichts der offenbaren Schwäche des Kaisers kam er auf seine Machtphantasien zurück. Aber ich war darüber nicht unglücklich, denn ich begriff, dass auch er den Gradal als echt ansah, wenn er so reagierte.«
     
    Danach hatte Friedrich die Schale andächtig in einen Schrein eingeschlossen und sich den Schlüssel um den Hals gehängt, und Baudolino fand das sehr gut getan, denn in jenem Augenblick hatte er den Eindruck gehabt, dass nicht nur der Poet, sondern auch alle seine anderen Freunde bereit gewesen wären, sich den begehrten Gegenstand zu holen, um ihr persönliches Glück mit ihm zu versuchen.
    Von nun an war der Kaiser entschlossen zum Aufbruch und zögerte nicht mehr. Eine Eroberungsexpedition muss sorgfältig geplant werden. Im folgenden Jahr schickte er Botschafter zu Saladin und drängte auf Treffen mit Abgesandten des Serbenfürsten Stefan Nemanja, des byzantinischen Basileus und des seldschukischen Sultans von Ikonion, um den Durchzug durch ihre Länder vorzubereiten.
    Während die Könige von England und Frankreich beschlossen hatten, übers Meer nach Palästina zu fahren, brach Friedrich im Mai 1189 mit fünfzehntausend Reitern und fünfzehntausend Schildträgern von Regensburg aus auf dem Landweg auf; einige sagten, in der ungarischen Tiefebene habe er eine Parade mit sechzigtausend Reitern und hunderttausend Fußsoldaten abgenommen. Andere sollen später sogar von sechshunderttausend Pilgern gesprochen haben, womöglich haben alle übertrieben, auch Baudolino konnte nicht sagen, wie viele es wirklich waren, vielleicht alles in allem zwanzigtausend Mann, aber in jedem Fall war es eine große Armee. Wenn man nicht gerade hinging, um sie Mann für Mann zu zählen, war es von weitem gesehen eine gewaltige Menge, bei der man zwar wusste, wo sie anfing, aber nicht, wo sie endete.
    Um die Gemetzel und Plünderungen der früheren Expeditionen zu vermeiden, hatte der Kaiser nicht gewollt, dass jene Horden von enterbten Kleinadligen mitkamen, die hundert Jahre zuvor so viel Blut in Jerusalem vergossen hatten. Diesmal sollte es eine saubere Sache sein, ordentlich gemacht von Leuten, die wussten, wie man einen Krieg führt, nicht von Unseligen, die loszogen mit der Entschuldigung, sich das Paradies zu erwerben, und heimkamen mit der erbeuteten Habe von Juden, denen sie unterwegs die Kehle durchgeschnitten hatten. Friedrich hatte nur Teilnehmer zugelassen, die zwei Jahre lang selbst für sich aufkommen konnten, und die armen Soldaten hatten jeder drei Silbermark für die Ernährung unterwegs erhalten. Wenn man Jerusalem befreien will, muss man ausgeben, was dafür nötig ist.
    Auch viele Italiener hatten sich der Expedition angeschlossen: die Cremoneser mit Bischof Sicardo, die Brescianer, die Veroneser mit Kardinal Adelardo, sogar einige Alexandriner, darunter alte Freunde von Baudolino wie der Boidi, der Cuttica aus Quargnento, der Porcelli, Aleramo Scaccabarozzi, genannt il Ciula, Colandrino, ein Bruder von Colandrina und somit Baudolinos Schwager, einer der Trottis, und weiter Pozzi, Ghilini, Lanzavecchia, Peri, Inviziati, Gambarini und Cermelli, alle auf eigene Rechnung oder auf Kosten der Stadt.
    Es war ein prächtiger Zug, an der Donau entlang bis Wien; und dann auch in Preßburg,

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