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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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christlichen Reich jenseits von Byzanz, dem armenischen, innerlich bebend an sein letztes Ziel denken ließ. Er träumte davon – und ich mit ihm –, dass die Armenier ihm den Weg zum Reich des Priesters Johannes öffnen könnten ... In jedem Fall war es, wie du sagst: Nach den Botschaften der Seldschuken und der Armenier hat euer Isaakios uns die Schiffe zum Übersetzen gegeben. Und es war genau da am Hellespont, in Kalliupolis, wo ich dich zum ersten Mal sah, als du uns im Namen deines Basileus die Schiffe anbotest.«
    »Das war für uns keine leichte Entscheidung gewesen«, sagte Niketas. »Der Basileus lief dadurch Gefahr, sich in einen Konflikt mit Saladin zu bringen. Er musste Boten zu ihm schicken, um ihm die Gründe seines Nachgebens zu erklären. Saladin, der ein großer Herr war, begriff sofort und trug uns die Sache nicht weiter nach. Ich sagte neulich schon: Von den Türken haben wir nichts zu befürchten, unser Problem seid immer nur ihr Schismatiker.«
    Niketas und Baudolino sahen ein, dass es nicht gut war, sich gegenseitig die Kränkungen und die Gründe jener längst vergangenen Angelegenheit vorzuhalten. Vielleicht hatte Isaakios recht, jeder christliche Pilger, der durch Byzanz kam, war stets versucht, dort zu bleiben, wo es so viele schöne Dinge zu erobern gab, anstatt weiterzuziehen und seine Haut unter den Mauern von Jerusalem zu riskieren. Aber Friedrich wollte tatsächlich weiter.
     
    Sie erreichten also Kalliupolis, und obwohl es nicht Konstantinopel war, sahen die Kreuzpilger sich doch verführt von der prächtigen Stadt mit dem Hafen voller Galeeren und Dromonen, die bereitlagen, um Pferde, Reiter und Proviant an Bord zu nehmen. Das ließ sich nicht an einem Tag bewerkstelligen, und in der Zwischenzeit hatten unsere Freunde nichts zu tun. Schon zu Anfang der Reise hatte Baudolino beschlossen, Zosimos für etwas Nützliches zu gebrauchen, und so nötigte er ihn jetzt, seinen Reisegefährten ein wenig Griechisch beizubringen. »Wo wir hingehen«, sagte er, »versteht niemand Latein, ganz zu schweigen von Tiutsch und Provenzalisch und meiner Sprache. Beim Griechischen dagegen besteht immer ein bisschen Hoffnung, dass man sich verständigen kann.« So wurde ihnen, zwischen einem Besuch im Bordell und einer Lesung in Texten der Ostkirchenväter, die Wartezeit nicht allzu lang.
    Am Hafen gab es einen weitläufigen Markt, und sie beschlossen, sich dort einmal umzusehen, verlockt von fernem Gefunkel und Gerüchen von Spezereien. Zosimos, dem sie die Fesseln abgenommen hatten, damit er ihnen als Führer dienen konnte (aber streng bewacht von Boron, der ihn keinen Moment aus den Augen ließ), warnte sie: »Ihr lateinischen und alamanischen Barbaren kennt die Regeln unser römischen Zivilisation nicht. Ihr müsst wissen, dass ihr auf unseren Märkten nie etwas gleich auf Anhieb kaufen dürft, weil man euch zu viel dafür abverlangt, und wenn ihr gleich zahlt, was man verlangt, geltet ihr deswegen zwar nicht als Einfaltspinsel, weil man schon vorher wusste, dass ihr welche seid, aber ihr macht den Händlern keine Freude, denn das Schöne auf dem Markt ist das Handeln. Also bietet zwei Münzen an, wenn sie zehn verlangen, dann gehen sie runter auf sieben, dann bietet ihr drei, und sie gehen runter auf fünf, ihr bleibt stur bei drei, bis sie jammernd nachgeben und schwören, sie würden mit der ganzen Familie elendiglich verhungern. Jetzt könnt ihr kaufen, aber seid euch darüber im klaren, dass die Ware bloß eine Münze wert war.«
    »Und warum sollen wir sie dann kaufen?« fragte der Poet.
    »Weil auch die Händler ein Recht auf Leben haben, und drei Münzen für etwas, dessen Wert nur eine beträgt, das ist ein ehrlicher Handel. Aber ich muss euch noch eine Warnung mitgeben: Nicht nur die Händler haben ein Recht auf Leben, auch die Diebe, und da sie einander nicht gut gegenseitig bestehlen können, versuchen sie es bei euch. Wenn ihr sie daran hindert, ist das euer gutes Recht, aber wenn sie es schaffen, dürft ihr euch nicht beklagen. Daher rate ich euch, keine größeren Summen mit euch herumzutragen, sondern nur gerade so viel, wie ihr ausgeben wollt, und basta.«
    Instruiert von einem so gut mit den örtlichen Bräuchen vertrauten Führer, stürzten sich unsere Freunde in ein Gewimmel von Menschen, die nach Knoblauch rochen wie alle Romäer. Baudolino kaufte sich zwei fein ziselierte arabische Dolche, die man rechts und links am Gürtel trug und mit gekreuzten Armen rasch ziehen konnte.

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