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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Abdul fand einen kleinen kristallenen Schrein, der eine Haarlocke enthielt (wer weiß von wem, aber es war klar, an wen er dabei dachte). Solomon rief laut nach den anderen, als er das Zelt eines Persers entdeckt hatte, der wundertätige Elixiere verkaufte. Der Mann zeigte ihnen eine Phiole, die nach seinen Worten ein höchst wirksames Pharmakon enthielt, das in kleinen Dosen eingenommen die Lebensgeister anregte, aber zu raschem Tod führte, wenn man alles auf einmal trank. Danach zeigte er ihnen eine genau gleich aussehende Phiole, die jedoch das stärkste aller Gegengifte enthielt, das die Wirkung jedes beliebigen Giftes zu annullieren vermochte. Solomon, der sich wie alle Juden gern mit Medizin beschäftigte, kaufte das Gegengift. Als Angehöriger eines Volkes, das noch mehr vom Handel verstand als die Romäer, gelang es ihm, nur eine Münze statt der verlangten zehn zu bezahlen, und dabei grämte er sich, weil er fürchtete, mindestens das Doppelte des wahren Wertes bezahlt zu haben.
    Als sie das Zelt des Apothekers verließen, fand Kyot eine prächtige Schärpe, während Boron, nachdem er alle Waren ausgiebig gemustert hatte, nur den Kopf schüttelte und murmelte, für jemanden im Gefolge eines Kaisers, der den Gradal besitze, seien alle Schätze der Welt nichts als Schrott, also wie dann erst diese!
    Schließlich fanden sie auch den Boidi aus Alexandria wieder, der inzwischen zu ihrer Gruppe gehörte. Er hatte sich in einen Ring verguckt, der vielleicht aus Gold war (der Verkäufer weinte, als er ihn hergab, weil er angeblich von seiner Mutter stammte) und der jedenfalls in einer Kapsel ein wundertätiges Herzmittel enthielt, von dem ein winziger Schluck genügte, um einen Schwerverletzten wiederzubeleben und in bestimmten Fällen sogar einen Toten wiederauferstehen zu lassen. Der Boidi hatte ihn gekauft, weil er fand, wenn man wirklich seine Haut unter den Mauern von Jerusalem riskieren müsse, dann sei es besser, ein wenig Vorsorge zu treffen.
    Zosimos begeisterte sich für ein Siegel mit einem Zeta, also seiner Initiale, das zusammen mit einer Stange Siegellack verkauft wurde. Das Zeta war so abgegriffen, dass es vielleicht gar keine Spur mehr im Lack hinterlassen würde, aber ebendies war ein Beweis für das ehrwürdige Alter des Gegenstandes. Natürlich hatte Zosimos als Gefangener kein Geld, aber Solomon erbarmte sich seiner und kaufte ihm das Siegel.
    Während sie sich so durch das Gedränge schoben, merkten sie auf einmal, dass sie den Poeten verloren hatten, aber schließlich fanden sie ihn wieder, wie er gerade über den Preis eines Schwertes verhandelte, das nach den Worten des Verkäufers aus der Zeit der Eroberung Jerusalems stammte. Als er jedoch seine Börse ziehen wollte, musste er feststellen, dass Zosimos recht gehabt hatte und dass er mit seinen blauen Augen eines gedankenverlorenen Alemannen die Diebe wie Fliegen auf sich zog. Baudolino erbarmte sich seiner und schenkte ihm das Schwert.
    Tags darauf präsentierte sich im Lager ein reichgekleideter Mann mit übertrieben ehrfurchtsvollem Gebaren, begleitet von zwei Dienern, und wollte Zosimos sprechen. Der Mönch tuschelte etwas mit ihm, dann kam er zu Baudolino und sagte, es handle sich um Machitar Ardzrouni, einen hohen armenischen Würdenträger, der dem Kaiser eine geheime Botschaft seines Fürsten Leo zu überbringen habe.
     
    »Ardzrouni?« sagte Niketas. »Den kenne ich. Er war mehrmals nach Konstantinopel gekommen, schon seit der Zeit des Andronikos. Ich verstehe, dass er sich mit deinem Zosimos getroffen hat, denn er stand im Ruf eines Kenners der magischen Wissenschaften. Einer meiner Freunde in Selymbria – aber Gott weiß, ob wir ihn dort noch antreffen werden – war auch zu Gast in seiner Burg von Dadschig ...«
    »Auch wir waren das – zu unserem Unglück, wie du noch hören wirst. Dass er ein Freund von Zosimos war, war für mich ein ungutes Zeichen, aber ich sagte es Friedrich, und der wollte ihn sehen. Mit Angaben über seinen Auftraggeber war dieser Ardzrouni sehr zurückhaltend. Er sei von Leo geschickt worden und sei es auch wieder nicht, beziehungsweise wenn er es sei, dürfe er es nicht sagen. Er sei gekommen, um dem kaiserlichen Heer als Führer durch das Gebiet der Türken bis nach Armenien zu dienen. Ardzrouni sprach ein passables Latein mit Friedrich, aber wenn er etwas im vagen lassen wollte, tat er so, als ob er das richtige Wort nicht finden könne. Friedrich fand ihn unzuverlässig und heimtückisch wie alle

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