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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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des Katholikos Gregor mit großem Gefolge an; der andere gab uns weitschweifig mit vielem Hin und Her zu verstehen, dass der armenische Fürst, wiewohl begierig darauf, dem Kaiser zu helfen, nicht gut dem Sultan Saladin zeigen könne, wie er seinen Feinden den Weg öffne, weshalb er sich sehr vorsehen müsse.«
     
    Als die Gesandten fort waren, kam Ardzrouni wieder zum Vorschein und tuschelte mit Zosimos, der sich danach zu Baudolino begab und mit diesem zu Friedrich.
    »Ardzrouni sagt, es liege ihm fern, seinen Herrn zu verraten, doch er habe den Verdacht, dass es für Leo ein Glück wäre, wenn du hier haltmachen würdest.«
    »Was soll das heißen?« erboste sich Friedrich. »Will er mir Wein und Mädchen anbieten, damit ich vergesse, dass ich nach Jerusalem muss?«
    »Wein vielleicht schon, aber vergifteten. Er sagt, du solltest dich an den Brief der Königin Sibylla erinnern«, sagte Zosimos.
    »Woher weiß er von dem Brief?«
    »Man hört so dies und das. Wenn Leo deinen Marsch zum Stehen bringen würde, täte er Saladin einen großen Gefallen, und Saladin könnte ihm helfen, seinen Traum zu erfüllen und Sultan von Ikonion zu werden, nachdem Kilidsch und seine Söhne nun so schmachvoll besiegt worden sind.«
    »Und warum sorgt sich Ardzrouni so sehr um mein Leben, dass er sogar seinen Herrn verrät?«
    »Nur Unser Herr Jesus Christus gab sein Leben aus Liebe zur Menschheit. Das Menschengeschlecht, das in Sünde geboren ist, gleicht dem der Tiere: Auch die Kuh gibt dir nur Milch, wenn du ihr Heu gibst. Was lehrt uns diese heilige Maxime? Dass Ardzrouni es nicht verschmähen würde, eines Tages den Platz von Leo einzunehmen. Ardzrouni wird von vielen Armeniern geschätzt, Leo nicht. Wenn er sich also die Dankbarkeit des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches erwürbe, könnte er eines Tages auf den mächtigsten aller Freunde vertrauen. Deshalb schlägt er dir vor, bis zu seiner Burg Dadschig weiterzuziehen, immer am Ufer dieses Flusses entlang, und deine Leute dort lagern zu lassen. Bis sich herausstellt, was Leo wirklich zusichert, könntest du bei ihm wohnen, sicher vor jedem Anschlag. Auch empfiehlt er dir, von jetzt an vorsichtig mit den Speisen und Getränken zu sein, die dir einer seiner Landsleute anbieten könnte.«
    »Zum Teufel«, polterte Friedrich los, »seit einem Jahr stolpere ich hier von einem Vipernnest ins andere! Meine braven deutschen Fürsten waren Engel im Vergleich dazu und sogar – jawohl, stell dir vor –, sogar diese überaus treulosen Mailänder, die mir so viel Ärger gemacht haben, aber die haben mich wenigstens auf offenem Feld angegriffen und nicht versucht, mich im Schlaf zu erdolchen! Was sollen wir tun?«
    Der junge Friedrich riet, die Einladung anzunehmen. Es sei leichter, sich vor einem einzigen möglichen und bekannten Feind zu hüten, als vor vielen unbekannten. »Er hat recht, mein Vater«, sagte Baudolino. »Du bleibst in dieser Burg, und wir, meine Freunde und ich, bilden einen Schutzwall um dich, so dass niemand zu dir kann außer über unsere Leichen, bei Tag und bei Nacht. Wir werden alles vorkosten, was für dich bestimmt ist. Sei unbesorgt, ich bin kein Märtyrer. Alle werden wissen, dass wir vor dir trinken und essen werden, und niemand wird es für klug halten, einen von uns zu vergiften, weil dann dein Zorn über alle Bewohner dieser Festung käme. Deine Leute brauchen Erholung, Kilikien ist ein christliches Land, der Sultan von Ikonion ist zu geschwächt, um durchs Gebirge zu ziehen und dich erneut anzugreifen, Saladin ist noch zu weit entfernt, diese Gegend ist voller Felsen und Schluchten, die lauter erstklassige natürliche Schranken sind, mir scheint sie das geeignete Land, uns alle wieder zu Kräften kommen zu lassen.«
    Nach einem Tagesmarsch in Richtung Seleukia gelangten sie in eine Schlucht, die so schmal war, dass sie kaum Platz genug hatten, neben dem Fluss zu reiten. Mit einem Mal aber öffnete sich die Schlucht und entließ den Fluss in ein breites Tal, durch das er ein wenig ruhiger fließen konnte, um danach seinen Lauf wieder zu beschleunigen und sich in eine weitere Schlucht zu stürzen. Nicht weit vom Ufer erhob sich, wie ein Pilz aus der Ebene aufragend, ein gewaltiger Turm mit unregelmäßigen Konturen, der sich bläulich vor den Augen der von Osten Kommenden abzeichnete, während die Sonne hinter ihm unterging, so dass man auf den ersten Blick nicht hätte sagen können, ob er ein Werk der Natur oder eines von Menschenhand war. Erst beim

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