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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Armenier, aber einen Ortskundigen konnte er gut gebrauchen, und so beschloss er, ihn der Armee beizugeben, wobei er mich lediglich bat, ein Auge auf ihn zu haben. Ich muss sagen, er hat sich während der ganzen Reise untadelig verhalten und uns immer Informationen gegeben, die sich dann als richtig erwiesen.«

 
    24. Kapitel
    Baudolino in der Burg von Ardzrouni
     
    Im März des Jahres 1190 betrat das Pilgerheer asiatischen Boden, durchquerte Mysien und Lydien, erreichte das phrygische Laodikeia und zog weiter zum Gebiet der seldschukischen Türken. Der alte Sultan von Ikonion hatte sich zum Verbündeten Friedrichs erklärt, aber seine Söhne entmachteten ihn und griffen das Christenheer an. Oder nein, auch Kilidsch änderte seine Meinung, aber das hat man nie recht erfahren. Zusammenstöße, Scharmützel, regelrechte Schlachten – Friedrich zog als Sieger voran, aber sein Heer wurde dezimiert durch die Kälte, den Hunger und die Angriffe der Turkmenen, die plötzlich auftauchten, an den Rändern des Heeres zuschlugen und ebenso schnell, als gute Kenner der Wege und der Verstecke, wieder verschwanden.
    Schwerfüßig durch sonnenheiße und öde Gebiete ziehend, mussten die Kreuzpilger ihren Urin oder das Blut ihrer Pferde trinken. Als sie vor Ikonion eintrafen, war ihre Zahl zusammengeschmolzen auf nicht mehr als tausend Reiter.
    Dennoch wurde es eine schöne Belagerung, und obwohl er krank war, schlug der junge Friedrich von Schwaben sich gut, als er höchstpersönlich die Stadt erstürmte.
     
    »Du sprichst kühl über den jungen Friedrich.«
    »Er mochte mich nicht. Er misstraute allen, er war eifersüchtig auf seinen jüngeren Bruder, der im Begriff stand, ihm die Kaiserkrone zu nehmen, und sicher war er auch eifersüchtig auf mich, den nicht Blutsverwandten, auf die Zuneigung, die sein Vater für mich hegte. Vielleicht war er schon als Kind verwirrt gewesen über die Art und Weise, wie ich seine Mutter angesehen hatte, oder sie mich. Er war eifersüchtig auf die Autorität, die ich mir dadurch erworben hatte, dass ich seinem Vater den Gradal geschenkt hatte, und was diese Geschichte betraf, hat er sich immer sehr skeptisch gezeigt. Als er von einer Expedition nach Indien reden hörte, knurrte er bloß, darüber werde man zu gegebener Zeit sprechen. Er fühlte sich von allen beiseite geschoben. Deswegen hat er sich dann in Ikonion so tapfer geschlagen, obwohl er an jenem Tag Fieber hatte. Nur als ihn sein Vater dann für die gelungene Unternehmung lobte, und das vor allen seinen Baronen, habe ich ein glückliches Leuchten in seinen Augen gesehen. Das einzige Mal in seinem ganzen Leben, glaube ich. Ich bin vor ihn hingetreten, um ihm zu huldigen, und ich war wirklich froh für ihn, aber er hat mir nur zerstreut gedankt.«
    »Ich finde, du ähnelst mir, Baudolino. Auch ich beschäftige mich beim Schreiben der Chroniken meines Reiches besonders mit den kleinen Neidereien, den Hass- und Eifersuchtsgefühlen, die sowohl die Familien der Mächtigen als auch die großen öffentlichen Unternehmungen erschüttern. Auch Kaiser sind Menschen, und die Geschichte ist auch Geschichte ihrer Schwächen. Aber sprich weiter.«
    »Nachdem Ikonion erobert war, schickte Friedrich sofort Botschafter zu Fürst Leo von Armenien mit der Bitte, ihn beim Durchzug durch sein Gebiet zu unterstützen. Es gab ein Bündnis, die Armenier selbst hatten es versprochen. Trotzdem hatte Leo noch niemanden geschickt, uns zu empfangen. Vielleicht fürchtete er so zu enden wie der Sultan von Ikonion. So zogen wir weiter, ohne zu wissen, ob wir Hilfe bekommen würden, geführt von Ardzrouni, der uns versicherte, dass die Abgesandten seines Fürsten bald kämen. Eines Tages im Juni, als wir uns nach Süden gewandt und Laranda passiert hatten, stießen wir ins Taurusgebirge vor, und da endlich sahen wir Friedhöfe mit Kreuzen. Wir waren in Kilikien, auf christlichem Boden. Sogleich empfing uns der armenische Herr von Sibilia, und ein Stück weiter, an einem verfluchten Fluss, von dem ich auch den Namen am liebsten vergessen will, begegneten wir einer Gesandtschaft von Leo. Kaum hatten wir sie in der Ferne gesichtet, gab Ardzrouni zu verstehen, dass es besser sei, wenn er sich nicht sehen lasse, und verschwand. Wir wurden von zwei Würdenträgern begrüßt, die sich als Constant und Baldouin de Camardeis vorstellten, und nie habe ich Botschafter gesehen, die sich unbestimmter ausdrückten. Der eine kündigte uns die baldige Ankunft des Fürsten Leo und

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