Die historischen Romane
Näherkommen erkannte man, dass er ein steiler Felsen war, auf dessen Gipfel sich eine Burg erhob, von der aus man offensichtlich das Tal und den Kranz der Berge ringsum beherrschen konnte.
»Hier, gnädiger Herr«, sagte Ardzrouni, »hier kann dein Heer sein Lager aufschlagen. Ich rate dir, weiter unten am Fluss haltmachen zu lassen, da gibt es Platz für die Zelte und genügend Wasser für Mensch und Tier. Meine Burg ist nicht groß, ich rate dir, nur mit wenigen Männern deines Vertrauens hinaufzusteigen.«
Friedrich wies seinen Sohn an, sich um das Lager zu kümmern und beim Heer zu bleiben. Er wählte zehn seiner Leute als Begleitung aus, dazu die Gruppe von Baudolino und seinen Freunden. Der Sohn versuchte zu protestieren, er wolle bei seinem Vater bleiben, nicht über eine Meile von ihm entfernt. Ein weiteres Mal schaute er misstrauisch zu Baudolino und seinen Freunden, aber der Kaiser blieb unerschütterlich. »Ich werde in dieser Burg schlafen«, sagte er. »Morgen früh werde ich im Fluss schwimmen, und dazu brauche ich euch nicht. Ich werde zu euch geschwommen kommen und euch einen guten Morgen wünschen.« Der Sohn sagte, des Vaters Wille sei ihm Befehl, aber er sagte es schweren Herzens.
So trennte sich Friedrich vom Gros des Heeres, begleitet von seinen zehn Leibwächtern sowie von Baudolino, dem Poeten, Kyot, Boron, Abdul, Solomon und dem Boidi, der Zosimos an der Kette hinter sich herzog. Alle fragten sich neugierig, wie man den steilen Felsen erklimmen mochte, aber als sie ihn halb umrundet hatten, entdeckten sie, dass er auf der Westseite etwas weniger steil war, gerade genug, um Platz für einen gepflasterten Weg zu lassen, der über Stufen hinaufführte und höchstens zwei Pferden nebeneinander Platz bot. Jeder, der in feindlicher Absicht hinaufsteigen wollte, musste die Stufen so langsam nehmen, dass zwei Bogenschützen auf den Zinnen der Burg genügten, um die Invasoren je zwei und zwei niederzustrecken.
Am Ende des Weges öffnete sich ein Tor, das in einen Hof führte. Außen vor diesem Tor ging der Weg dicht unter der Mauer und noch schmaler am Abgrund weiter bis zu einem zweiten, kleineren Tor auf der Nordseite, danach endete er im Nichts.
Sie ritten in den Hof, der in die eigentliche Burg führte, deren Mauern voller Schießscharten waren, jedoch ihrerseits geschützt durch die Mauern, die den Hof vom Abgrund trennten. Friedrich verteilte seine Wachen an die Zinnen der Außenmauer, damit sie den Weg von oben kontrollierten. Ardzrouni schien keine eigenen Männer zu haben, abgesehen von ein paar Knechten, die die verschiedenen Türen und Korridore bewachten. »Ich brauche hier keine Schutztruppe«, sagte er mit stolzem Lächeln. »Ich bin unangreifbar. Und außerdem ist dies, wie du sehen wirst, gnädiger Herr, kein Ort des Krieges, sondern das Refugium, in dem ich meinen Studien über die vier Elemente obliege. Komm, ich zeige dir, wo du auf würdige Art die Nacht verbringen kannst.«
Sie stiegen eine Freitreppe hinauf, und nach der zweiten Biegung traten sie in einen Waffensaal, der mit einigen Bänken und mehreren Rüstungen an den Wänden möbliert war. Am Ende des Saales öffnete Ardzrouni eine schwere metallbeschlagene Tür und führte den Kaiser in einen luxuriös eingerichteten Raum. Er enthielt ein Himmelbett, eine Truhe mit goldenen Kelchen und Kandelabern, überragt von einem Schrein oder Tabernakel aus dunklem Holz, sowie einen breiten Kamin, fertig bestückt mit runden Holzscheiten und Brocken einer kohleähnlichen Substanz mit einem öligen Überzug, die vermutlich zum Entfachen der Flammen dienen sollten, das Ganze säuberlich aufgeschichtet auf einem Bett aus Reisig und bedeckt mit Zweigen voll wohlriechender Beeren.
»Dies ist der beste Raum, den ich habe«, sagte Ardzrouni, »und es ist mir eine Ehre, ihn dir anzubieten. Ich rate dir, dieses Fenster nicht zu öffnen. Es geht nach Osten, morgen früh könnte dich die Sonne stören. Diese farbigen Glasfenster, ein Wunderwerk der venezianischen Kunst, lassen ihr Licht sanft gefiltert herein.«
»Kann niemand durch dieses Fenster hereinkommen?« fragte der Poet.
Ardzrouni öffnete mühsam das Fenster, das mit mehreren Bolzen fest verschlossen war. »Sieh her«, sagte er, »es liegt sehr hoch oben. Und drüben auf der anderen Seite des Hofes ist die Außenmauer, auf der bereits die Männer des Kaisers Wache stehen.« Man sah in der Tat die Zinnen der äußeren Mauer mit dem Wehrgang, auf dem in Abständen Wachen postiert
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