Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
waren, und genau gegenüber dem Fenster, nur einen Pfeilschuss entfernt, zwei große Scheiben oder Schüsseln aus schimmerndem Metall, tief nach innen gewölbt, die auf einem Gerüst zwischen den Zinnen verankert waren. Friedrich wollte wissen, was das sei.
    »Das sind Archimedes-Spiegel«, erklärte Ardzrouni, »solche wie die, mit welchen dieser antike Gelehrte die römischen Schiffe zerstört hat, die Syrakus belagerten. Jeder Spiegel fängt die parallel einfallenden Lichtstrahlen ein und schickt sie zurück, deshalb reflektiert er die Dinge. Wenn aber der Spiegel nicht flach, sondern in der richtigen Weise gewölbt ist, wie es die Geometrie als höchste der Wissenschaften lehrt, dann werden die Strahlen nicht parallel reflektiert, sondern alle auf einen bestimmten Punkt vor dem Spiegel konzentriert, je nachdem, wie dieser gewölbt ist. Wenn du nun den Spiegel so ausrichtest, dass er die Strahlen der Sonne im Moment ihrer größten Helligkeit einfängt und sie gebündelt auf einen einzigen fernen Punkt zurückwirft, dann erzeugt eine solche Konzentration von Sonnenstrahlen an jenem Punkt einen Brand, und so kannst du einen Baum, die Planken eines Schiffes, eine Kriegsmaschine oder auch das Gestrüpp rings um deine Feinde in Brand stecken. Ich habe zwei verschieden gewölbte Spiegel, deren einer mehr in die Ferne zielt und der andere mehr in die Nähe. Mit diesen beiden einfachen Geräten kann ich meine Burg besser verteidigen, als wenn ich tausend Bogenschützen hätte.«
    Friedrich sagte im Scherz, Ardzrouni solle ihm dieses Geheimnis beibringen, dann würden die Mauern Jerusalems besser einstürzen als einst die Mauern Jerichos, und nicht durch Trompetenschall, sondern durch Sonnenstrahlen. Ardzrouni erwiderte, er stehe dem Kaiser stets zu Diensten. Dann schloss er das Fenster wieder und erklärte: »Hier kommt keine Luft herein, aber durch andere Schlitze schon. Es kann sein, dass es dir heute Nacht trotz der Jahreszeit kühl wird, denn die Mauern sind dick. Aber statt den Kamin anzuzünden, der lästigen Rauch macht, rate ich dir, dich lieber mit diesen Fellen zu bedecken, die du auf dem Bett siehst. Und entschuldige, dass ich von solchen Dingen rede, aber der Herr hat uns mit einem Körper geschaffen: Hinter dieser kleinen Tür findest du eine schmale Kammer mit einem nicht sehr königlichen Sitz, aber alles, was dein Körper ausscheiden will, fällt von da in eine Grube im Untergeschoss, ohne hier die Luft zu verpesten. Man betritt diesen Raum nur durch die Tür, die wir durchschritten haben, und wenn du sie von innen verriegelt hast, werden draußen deine Höflinge sein, die zum Schlafen mit den Bänken dort vorliebnehmen müssen, aber deine Ruhe gewährleisten werden.«
    Über dem Kaminsims entdeckten sie ein rundes Relief. Es war ein Medusenhaupt mit schlangenförmig geringelten Haaren, die Augen geschlossen und der fleischige Mund weit geöffnet, so dass sich eine dunkle Höhlung ergab, deren Grund nicht zu sehen war (»Wie jenes Medusenhaupt, das wir in der Zisterne gesehen haben, du erinnerst dich, Kyrios Niketas«). Friedrich trat neugierig näher und fragte, was das sei.
    »Das ist ein Dionysios-Ohr«, sagte Ardzrouni, »eine meiner Magien. In Konstantinopel gibt es noch alte Steine dieser Art, ich brauchte nur den Mund etwas tiefer auszuhöhlen. Unter uns ist ein Raum, in dem sich gewöhnlich meine kleine Wachmannschaft aufhält, aber solange du hier bist, gnädiger Herr, wird er leer sein. Alles, was dort unten gesagt wird, kann man durch diesen Mund hier hören, als ob es direkt hinter dem Relief gesprochen würde. Du könntest hier, wenn du wolltest, meine Leute miteinander tuscheln hören.«
    »Ach, könnte ich doch hören, was meine Vettern tuscheln!« sagte Friedrich. »Ardzrouni, du bist ein wertvoller Mann. Wir werden auch darüber noch reden. Jetzt machen wir erst einmal unsere Pläne für morgen. Als erstes möchte ich morgen früh im Fluss schwimmen.«
    »Da kommst du leicht hin, zu Pferd oder zu Fuß«, sagte Ardzrouni, »du brauchst nicht einmal durch den Hof zu gehen, durch den du hereingekommen bist. Hinter der Tür zum Waffensaal gibt es eine schmale Treppe, die in den zweiten Hof führt. Von dort erreichst du den Weg ins Tal.«
    »Baudolino«, sagte Friedrich, »sorg dafür, dass in jenem Hof morgen früh ein paar Pferde stehen.«
    »Mein Vater«, sagte Baudolino, »ich weiß, wie sehr du es liebst, dich im schäumenden Wasser zu tummeln. Aber jetzt bist du müde von der Reise und

Weitere Kostenlose Bücher