Die historischen Romane
weichem Ton zu verschließen. »Auch hier ist das Prinzip sehr einfach«, sagte er. »Das Wasser kocht im Becken und verwandelt sich in Dampf. Der Dampf steigt in die Kugel, und indem er aus ihr mit starkem Druck nach zwei entgegengesetzten Seiten entweicht, versetzt er sie in eine Drehbewegung.«
»Und welches Wunder soll das vortäuschen?« fragte Baudolino.
»Es täuscht nichts vor, es demonstriert eine große Wahrheit: Es führt uns handgreiflich vor Augen, dass es Leere gibt.«
Man kann sich vorstellen, wie Boron reagierte. Kaum hörte er das Wort Leere, horchte er misstrauisch auf und fragte, wieso denn um alles in der Welt dieses hydraulische Spielzeug beweisen solle, dass es Leere gebe. Ganz einfach, antwortete Ardzrouni, das Wasser im Becken werde zu Dampf und fülle die Kugel, der Dampf entweiche aus der Kugel und bringe sie zum Rotieren; wenn dann die Kugel langsamer werde, was ja bedeute, dass kein Dampf mehr in ihr sei, würden die Tüllen verschlossen. Und was bleibe dann folglich im Becken und in der Kugel? Nichts, also die Leere.
»Die möchte ich gern mal sehen«, sagte Boron.
»Um sie zu sehen, müsstest du die Kugel öffnen, und dann würde sofort Luft eindringen. Es gibt jedoch einen Ort, an dem du die Präsenz der Leere bemerken könntest. Allerdings bliebe dir nur sehr wenig Zeit dafür, denn ohne Luft würdest du rasch ersticken.«
»Und wo ist dieser Ort?«
»Er ist ein Raum über uns. Und jetzt zeige ich dir, wie du in jenem Raum dort Leere erzeugen kannst.« Er hob die Fackel und zeigte ihnen eine weitere Maschine, die bisher im Schatten geblieben war. Sie sah komplizierter als die beiden anderen aus, da bei ihr gewissermaßen die Eingeweide bloßlagen. Man sah einen großen Zylinder aus Alabaster, in welchem der Umriss eines weiteren zylindrischen Körpers zu sehen war, der ihn zur Hälfte füllte, zur Hälfte aus ihm herausragte und oben an einem großen waagerechten Hebel befestigt war, den ein Mann mit beiden Händen betätigen konnte. Ardzrouni bewegte diesen Hebel auf und ab, und im gleichen Rhythmus sah man den inneren Zylinder sich zuerst heben, dann senken, bis er den äußeren Zylinder vollständig füllte. Am oberen Teil des Alabasterzylinders war ein langer Schlauch befestigt, der aus sorgfältig miteinander vernähten Tierblasen bestand. Dieser Schlauch führte zur Decke des Saals und verschwand dort. Am unteren Teil des Zylinders, an der Basis, öffnete sich ein Loch.
»Also«, erklärte Ardzrouni, »hier haben wir kein Wasser, sondern nur Luft. Wird der innere Zylinder mit dem Hebel hinuntergedrückt, komprimiert er die Luft im äußeren Zylinder und presst sie durch das Loch unten hinaus. Lässt der Hebel ihn wieder aufsteigen, setzt der Zylinder einen Mechanismus in Gang, der das Loch unten verschließt, so dass die ausgestoßene Luft nicht wieder hineinkann. Ist der innere Zylinder ganz oben, setzt er einen anderen Mechanismus in Gang, der Luft durch diesen Schlauch, den ihr dort seht, aus dem oberen Zimmer hereinlässt. Senkt der innere Zylinder sich erneut, stößt er auch diese Luft wieder nach unten aus. Nach und nach saugt also diese Maschine die ganze Luft aus dem oberen Zimmer heraus und lässt sie hier ausströmen, so dass sich in dem Zimmer oben eine Leere bildet.«
»Und es dringt keine Luft von irgendwo anders in jenes Zimmer ein?« fragte Baudolino.
»Nein. Sobald diese Maschine in Gang gesetzt wird, verschließt sie mit Hilfe dieser Seile, die am Hebel befestigt sind, alle Löcher und Ritzen, durch welche Luft in das Zimmer eindringen könnte.«
»Dann könnte man mit dieser Maschine einen Menschen töten, der sich in dem Zimmer oben befindet?« sagte Friedrich.
»Man könnte, aber ich habe es nie getan. Nur einmal habe ich ein Huhn hineingesetzt. Nach dem Experiment bin ich hinaufgegangen, und da war das Huhn tot.«
Boron schüttelte den Kopf und murmelte Baudolino ins Ohr: »Trau ihm nicht, er lügt. Wenn das Huhn gestorben wäre, würde das heißen, dass die Leere existiert. Da sie aber nicht existieren kann, ist das Huhn noch am Leben und guter Dinge. Oder es ist gestorben, aber vor Aufregung.« Dann sagte er laut zu Ardzrouni: »Hast du je davon reden gehört, dass die Tiere auch am Grund leerer Brunnen sterben, wo die Kerzen ausgehen? Einige ziehen daraus den Schluss, dass es dort unten keine Luft gebe, dass also dort eine Leere sei. Das ist jedoch falsch, am Grund tiefer Brunnen fehlt nur die dünne Luft, während die dicke mephitische Luft
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