Die historischen Romane
von ihnen steckt ein Schädel, den ich mit Hilfe von Räucherungen so behandelt habe, dass er geschrumpft ist und sehr alt aussieht. Ich lebe in diesem Lande ohne natürliche Hilfsquellen, ohne Felder, die ich bestellen könnte, und ohne Vieh, meine Reichtümer sind begrenzt. Es ist wahr, ich stelle Reliquien her, sie sind sehr gefragt, in Asien wie in Europa. Man braucht nur zwei von diesen Köpfen an zwei weit voneinander entfernten Orten unterzubringen, sagen wir, einen in Antiochia und den anderen in Italien, und niemand merkt, dass es zwei sind.« Er lächelte mit öliger Demut, als bäte er um Verständnis für eine alles in allem lässliche Sünde.
»Ich hatte dich nie im Verdacht, ein tugendhafter Mensch zu sein, Ardzrouni«, sagte Baudolino lachend. »Behalt deine Köpfe, aber lass uns schnell hier rausgehen, sonst wecken wir den Verdacht der anderen und des Kaisers.« Sie traten hinaus, als Friedrich gerade seinen religiösen Meinungsaustausch mit Solomon beendete.
Der Kaiser fragte den Burgherrn, welche anderen Wunderdinge er ihnen noch zu zeigen habe, und Ardzrouni führte sie, froh, diesen Saal verlassen zu können, wieder in den Korridor. Von dort gelangten sie zu einer verschlossenen Flügeltür, neben der ein Altar von der Art stand, wie sie die Heiden für ihre Opfer benutzten und von denen Baudolino noch viele in Konstantinopel gesehen hatte. Auf dem Altar lagen Reiser und Zweige. Ardzrouni goss ein wenig von einer öligen dunklen Flüssigkeit darüber, nahm eine der Fackeln, die den Korridor erhellten, und hielt sie an den Stoß. Sofort flammte er auf, und nach einer Weile vernahm man ein leichtes unterirdisches Brodeln und ein langsames Knirschen, während Ardzrouni mit erhobenen Händen Formeln in einer barbarischen Sprache rezitierte, wobei er jedoch immer wieder zu seinen Gästen blickte, wie um ihnen zu bedeuten, dass er einen heidnischen Opferpriester oder Magier spielte. Schließlich öffneten sich zum allgemeinen Erstaunen die beiden Türflügel, ohne dass sie jemand berührt hätte.
»Wunderwerke der hydraulischen Kunst«, sagte Ardzrouni mit einem stolzen Lächeln, »der ich obliege, indem ich mich an die antiken Mechaniktraktate aus Alexandria halte. Die Sache ist ganz einfach: Unter dem Altar befindet sich eine Metallkugel, die Wasser enthält, das durch das Feuer auf dem Altar erhitzt wird. Dabei verwandelt es sich in Dampf, und durch einen Syphon, der nichts anderes ist als eine gebogene Röhre, durch die man Wasser von einem Gefäß in ein anderes umfüllt, fließt dieser Dampf in einen Eimer, in dem er sich abkühlt und wieder in Wasser verwandelt. Das Gewicht des Wassers lässt den Eimer nach unten sinken, dadurch dreht er über einen kleinen Flaschenzug, an dem er hängt, zwei hölzerne Zylinder, die unmittelbar auf die Türpfosten einwirken, und die Tür öffnet sich. Einfach, nicht wahr?«
»Einfach?« sagte Friedrich. »Verblüffend! Und solche Wunderdinge kannten die alten Griechen?«
»Solche und andere, auch die ägyptischen Priester kannten sie schon. Dieses hier haben sie benutzt, um zu erreichen, dass sich die Tore eines Tempels auf einen gesprochenen Befehl hin öffneten, so dass die Gläubigen staunten und O Wunder! O Wunder! riefen«, sagte Ardzrouni. Dann forderte er den Kaiser auf, über die Schwelle zu treten. Sie kamen in einen Saal, in dem sich eine weitere außergewöhnliche Apparatur erhob. Eine lederne Kugel war mit zwei Halterungen, die wie rechtwinklig gebogene Griffe aussahen, auf einer Scheibe befestigt, und diese Scheibe war der Deckel eines metallenen Beckens, unter dem sich ein weiterer Holzstoß befand. Aus der Kugel ragten zwei dünne Röhren, eine nach oben und eine nach unten, die in zwei Schnäbeln endeten, von denen einer nach rechts und einer nach links zeigte. Bei genauerem Hinsehen bemerkte man, dass auch die beiden Halterungen, die die Kugel über der Scheibe hielten, Röhren waren, die sich unten ins Becken senkten und oben ins Innere der Kugel eindrangen.
»Das Becken ist voll Wasser. Jetzt erhitzen wir dieses Wasser«, sagte Ardzrouni und entzündete erneut ein großes Feuer. Es dauerte eine Weile, bis das Wasser kochte, dann hörte man ein leises Zischen, das immer lauter wurde, und die Kugel begann sich an ihren Halterungen um ihre waagerechte Achse zu drehen, während aus den Schnäbeln Dampfwolken pufften. Die Kugel drehte sich eine Weile, dann ließ ihre Geschwindigkeit nach und Ardzrouni beeilte sich, die Röhren mit einer Art
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