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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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noch mal mit einem anderen Huhn in dem Zimmer oben versuchen. Aber jetzt, was Hühner angeht, lasst mich in Ruhe dieses hier essen, ich hoffe, man hat ihm gebührend den Hals lang gezogen, wie Gott es befiehlt.«

 
    25. Kapitel
    Baudolino sieht Friedrich zweimal sterben
     
    Das Bankett hatte bis in den späten Abend gedauert, und der Kaiser wünschte sich zurückzuziehen. Baudolino und die Seinen begleiteten ihn in sein Zimmer und inspizierten es noch einmal aufmerksam im Licht zweier Fackeln, die in Halterungen an den Wänden brannten. Der Poet wollte auch den Rauchfang des Kamins untersuchen, aber der wurde rasch so eng, dass kein menschliches Wesen hätte durchschlüpfen können. »Hier ist es schon viel, wenn der Rauch durchkommt«, sagte er. Sie warfen auch einen Blick in das Kämmerchen mit dem Abort, aber es war klar, dass niemand vom Grund der Abflussröhre hätte heraufsteigen können.
    Neben dem Bett stand, zusammen mit einer schon brennenden Lampe, eine Kanne Wasser, und Baudolino wollte unbedingt davon kosten. Der Poet meinte, es könnte auch jemand das Kissen oder die Bettdecke vergiftet haben, an der Stelle, wo Friedrich sie beim Schlafen mit dem Mund berühren würde. Es wäre gut, wenn der Kaiser immer ein Gegengift in Reichweite hätte, man wisse ja nie ...
    Friedrich erwiderte, sie sollten es mit ihrer Sorge nicht übertreiben, aber da meldete sich Rabbi Solomon zu Wort. »Herr«, sagte er, »du weißt, dass ich, obwohl Jude, mich loyal dem Unternehmen verschrieben habe, das deinen Ruhm krönen wird. Dein Leben ist mir so lieb wie meines. Höre. Ich habe in Kalliupolis ein wunderbares Gegengift erworben. Hier«, er zog die Phiole aus dem Gewand, »ich schenke es dir, in meinem armseligen Leben wird es kaum passieren, dass ich von allzu mächtigen Feinden verfolgt werde. Solltest du dich in einer der nächsten Nächte zufällig unwohl fühlen, schluck es sofort. Wenn dir etwas Schädliches verabreicht worden ist, rettet es dich auf der Stelle.«
    »Ich danke dir, Rabbi Solomon«, sagte Friedrich gerührt. »Wir Teutonen haben wirklich gut daran getan, die Angehörigen deiner Rasse zu beschützen, und so werden wir es auch in den kommenden Jahrhunderten halten, das schwöre ich dir im Namen meines Volkes. Ich nehme dein Geschenk gerne an, und sieh her, was ich damit mache.« Er holte aus seinem Reisesack den Schrein mit dem Gradal, den er jetzt immer eifersüchtig bei sich trug. »Hier, siehst du«, sagte er, »ich gieße die Flüssigkeit, die du mir gegeben hast, in den Kelch, der das Blut des Herrn enthalten hat.«
    Solomon verbeugte sich, aber dabei murmelte er verblüfft zu Baudolino: »Der Heiltrank eines Juden wird zum Blute des falschen Messias ... Möge der Heilige, der gesegnet immerdar sei, mir verzeihen. Aber schließlich, diese Geschichte vom Messias habt ihr Gojim erfunden, nicht Jeschua von Nazareth, der war ein Gerechter, unsere Rabbiner erzählen, er habe den Talmud bei Rabbi Josua ben Pera'hia studiert. Im übrigen gefällt mir dein Kaiser, und ich denke, man muss den Regungen des Herzens gehorchen.«
    Friedrich hatte den Gradal aus dem Schrein genommen und wollte ihn gerade wieder zurückstellen, da unterbrach ihn Kyot. An jenem Abend fühlten sich alle berechtigt, das Wort an den Kaiser zu richten, ohne aufgefordert zu sein; es hatte sich ein Klima der Vertrautheit zwischen jenen wenigen Getreuen und ihrem Herrn gebildet, die da gleichsam verschanzt waren an einem Ort, von dem sie noch nicht wussten, ob er gastlich oder feindlich sein würde. So sagte nun also Kyot: »Herr, denk nicht, dass ich Zweifel an Rabbi Solomon hätte, aber auch er könnte getäuscht worden sein. Erlaube mir, von dieser Flüssigkeit zu kosten.«
    »Herr, auch ich bitte dich, lass Kyot trinken«, sagte Rabbi Solomon.
    Friedrich nickte. Kyot hob die Schale feierlich mit beiden Händen und führte sie an seinen Mund, als vollziehe er die heilige Kommunion. In diesem Augenblick schien auch Baudolino, als verbreite sich ein intensives Licht durch den Raum, aber vielleicht war es eine der Fackeln, die gerade besser zu brennen begann, weil die Flamme auf einen größeren Batzen Harz gestoßen war. Kyot verharrte ein Weilchen so und bewegte nur leicht den Mund, um den kleinen Schluck, den er genommen hatte, besser aufzusaugen. Dann drehte er sich um, die Schale dicht vor der Brust, und stellte sie vorsichtig in ihren Schrein zurück. Danach verschloss er jenes Tabernakel sehr langsam, um nicht das kleinste

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