Die historischen Romane
sehr wohl noch da ist, und die ist es, die sowohl die Menschen als auch die Flammen erstickt. So ähnlich verhält es sich höchstwahrscheinlich auch mit deinem Zimmer. Du saugst die dünne Luft heraus, aber es bleibt die dicke, die sich nicht heraussaugen lässt, und die genügt, um dein Huhn sterben zu lassen.«
»Genug«, sagte Friedrich, »alle diese Maschinen sind ja sehr hübsch, aber außer den Spiegeln dort unten ließe sich keine von ihnen bei einer Belagerung oder in einer Schlacht verwenden. Also wozu sind sie dann gut? Kommt, lasst uns gehen, ich habe Hunger. Ardzrouni, du hast uns ein gutes Mahl versprochen. Mir scheint, es ist Zeit dafür.«
Ardzrouni verbeugte sich und führte Friedrich und die Seinen in den Bankettsaal. Das Mahl war in der Tat exzellent, zumindest für Leute, die wochenlang nur karge Feldkost bekommen hatten. Ardzrouni ließ das Beste auftragen, was die armenische und die türkische Küche zu bieten hatten, einschließlich gewisser überaus süßer Speisen, die den Eingeladenen das Gefühl gaben, in Honig zu ertrinken. Wie verabredet, kosteten Baudolino und seine Freunde von jedem Gericht, bevor es dem Kaiser vorgesetzt wurde. Entgegen jeder Hofetikette (aber wenn man im Krieg war, musste die Etikette schon immer zahllose Ausnahmen dulden) saßen alle am selben Tisch, und Friedrich aß und trank mit Freude, als wäre er einer ihrer Gevatter, und lauschte neugierig einem Disput, der zwischen Boron und Ardzrouni ausgebrochen war.
So erklärte Boron: »Du versteifst dich darauf, von der Leere zu sprechen, als ob sie ein Raum ohne jeglichen Körper wäre, sei er auch nur aus Luft. Aber ein Raum ohne Körper kann nicht existieren, denn Raum ist eine Beziehung zwischen Körpern. Außerdem kann die Leere auch deshalb nicht existieren, weil die Natur einen Horror vor ihr hat, wie alle großen Philosophen lehren. Wenn du die Luft aus einem ins Wasser getauchten Rohr saugst, steigt das Wasser im Rohr, weil es keinen luftleeren Raum lassen kann. Im übrigen höre, die Gegenstände fallen zur Erde, und eine eiserne Statue schneller als ein Stück Stoff, weil die Luft sich schwertut, das Gewicht der Statue auszuhalten, während sie das des Stoffes leicht tragen kann. Die Vögel fliegen, weil sie durch die Bewegung ihrer Flügel viel Luft aufrühren, die sie trotz ihres Gewichts trägt. Die Vögel werden von der Luft genauso getragen wie die Fische vom Wasser. Gäbe es keine Luft, würden die Vögel vom Himmel fallen, aber wohlgemerkt mit derselben Geschwindigkeit wie jeder andere Körper. Deshalb hätten die Sterne, wenn am Himmel die Leere herrschte, eine unendliche Geschwindigkeit, denn sie würden in ihrem Fall oder in ihrem Kreisen nicht durch die Luft aufgehalten, die ihrem immensen Gewicht Widerstand leistet.«
Darauf Ardzrouni: »Wer hat gesagt, dass die Geschwindigkeit eines Körpers proportional zu seinem Gewicht ist? Sie hängt vielmehr, wie Johannes Philoponos sagte, von der Bewegung ab, in die er versetzt worden ist. Und außerdem, sag mir, wenn es keine Leere gäbe, wie würden die Dinge es dann anstellen, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen? Sie müssten doch an die Luft stoßen, die sie nicht durchlassen würde.«
»Aber nein! Wenn ein Körper die Luft verdrängt, die dort ist, wo er sich hinbegibt, dann besetzt die Luft den Platz, den der Körper freigemacht hat! Das ist so, wie wenn zwei Personen in einer engen Gasse in entgegengesetzten Richtungen aneinander vorbeigehen. Sie ziehen den Bauch ein, sie drücken sich jeder an eine Mauer, und so schiebt sich der eine in die eine Richtung und der andere in die entgegengesetzte, und schließlich hat der eine den Platz des anderen eingenommen.«
»Ja, denn jeder der beiden versetzt seinen eigenen Körper kraft seines Willens in eine bestimmte Bewegung. Aber das gilt nicht für die Luft, denn die hat keinen Willen. Sie bewegt sich aufgrund des Stoßes, den ihr der an sie stoßende Körper versetzt. Aber dieser Stoß erzeugt eine Bewegung in der Zeit. In dem Moment, in dem der Gegenstand sich bewegt und der Luft vor sich einen Stoß versetzt, hat diese Luft sich noch nicht bewegt, und folglich befindet sie sich noch nicht an dem Platz, den der Gegenstand eben verlassen hat, um sie zu verdrängen. Und was ist dann an diesem Platz, wenn auch nur für einen Augenblick? Die Leere!«
Bis hierher war Friedrich dem Streitgespräch amüsiert gefolgt, aber nun hatte er genug davon. »Schluss jetzt«, sagte er. »Morgen könnt ihr's ja
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