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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Objekt seiner überaus keuschen Begierde.
    Die Gruppe der Alexandriner war die einzige, die mit beiden Beinen auf dem Boden zu gehen schien, sie hatten einen Pakt mit Baudolino geschlossen und folgten ihm aus Solidarität, oder vielleicht aus Dickköpfigkeit, denn wenn man einen Priester Johannes finden will, muss man ihn finden, sonst wird man, wie Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula sagte, von den Leuten nicht mehr ernst genommen. Aber vielleicht gingen sie auch deshalb treu und brav mit, weil der Boidi sich in den Kopf gesetzt hatte, dass sie, einmal ans Ziel gelangt, sich dort mit wunderbaren Reliquien eindecken würden (und nicht mit falschen wie diesen Täuferköpfen), um sie ins heimatliche Alexandria zu bringen und so diese noch geschichtslose Stadt in den meistbesuchten Wallfahrtsort der Christenheit zu verwandeln.
     
    Ardzrouni hatte sie, um den Türken von Ikonion aus dem Weg zu gehen, zuerst über einige Bergpässe geführt, auf denen die Pferde Gefahr liefen, sich ein Bein zu brechen, dann sechs Tage lang durch ein steiniges Gelände, das übersät war mit Leichen von handgroßen Eidechsen, die an Hitzschlag gestorben waren. Ein Glück, dass wir genug zu essen mithaben und nicht diese ekligen Viecher essen müssen, sagte der Boidi ganz erleichtert – und täuschte sich, denn ein Jahr später hätte er noch weit ekligere Echsen genommen, hätte sie auf einen Zweig gespießt geröstet und zugesehen, während ihm das im Munde zusammengelaufene Wasser schon aufs Kinn troff, wie diese Leckerbissen schön braun brutzelten.
    Hin und wieder kamen sie auch durch Dörfer, und in jedem zeigten sie den Zosimos-Popanz. Ja, sagte jemand, genau so ein Mönch ist hier vorbeigekommen, er ist einen Monat geblieben, und dann hat er sich aus dem Staub gemacht, weil er meine Tochter geschwängert hatte ... Aber wie kann er denn einen Monat geblieben sein, wenn wir erst seit zwei Wochen unterwegs sind? Wann war denn das? Och, das kann vor sieben Ostern gewesen sein, seht das grindige Kind dort, das ist die Frucht seiner Sünde. Ach so, dann war's gar nicht er, diese schmuddeligen Mönche sehen doch alle gleich aus. Oder auch: Ja, scheint so, genau mit so einem Bart, vor drei Tagen etwa, ein sympathischer Buckliger. Aber wenn er bucklig war, kann er's auch nicht gewesen sein. Baudolino, bist du sicher, dass du diese Sprache wirklich verstehst, oder übersetzt du uns einfach, was dir gerade in den Sinn kommt? Oder auch: Ja, ja, klar haben wir den gesehen, der da war's – und dabei zeigten sie auf Rabbi Solomon, vielleicht wegen seines schwarzen Bartes. Also wirklich, fragten sie vielleicht immer genau die Vertrotteltsten?
    Ein Stück weiter trafen sie auf Leute, die in kreisrunden Zelten wohnten und sie mit den Worten begrüßten: » La ellec olla Sila, Machimet rores alla. « Sie antworteten ebenso höflich auf Alemannisch, denn eine Sprache war so gut wie die andere, und dann zeigten sie den Zosimos-Popanz vor. Die Leute begannen zu lachen und redeten alle durcheinander, aber aus ihren Gebärden war zu entnehmen, dass sie sich an Zosimos erinnerten: Er war vorbeigekommen, hatte ihnen den Kopf eines christlichen Heiligen angeboten, und sie hatten gedroht, ihm etwas hinten reinzustecken. Da begriffen unsere Freunde, dass sie in eine Bande von pfählenden Türken geraten waren, und entfernten sich rasch mit großen Abschiedsgesten und breitem, alle Zähne entblößendem Lächeln, während der Poet Ardzrounis Kopf an den Haaren zu sich herüberzog und ihm zuknurrte: Bravo, bravo, du weißt den Weg, ja? Führst uns direkt ins Maul des Antichrist – und Ardzrouni röchelte, nicht er habe sich im Weg geirrt, sondern diese Leute, die eben Nomaden seien, und bei Nomaden wisse man nie, wohin die gingen.
    »Aber weiter vorn«, versicherte er, »da werden wir nur auf Christen stoßen, wenn auch auf nestorianische.«
    »Gut«, sagte Baudolino, »wenn sie Nestorianer sind, gehören sie schon zur Rasse des Priesters, aber von jetzt an passen wir auf, wenn wir in ein Dorf kommen, und schauen, bevor wir zu reden anfangen, ob es da Kreuze und Kirchtürme gibt.«
     
    Von wegen Kirchtürme. Die nächsten menschlichen Siedlungen, auf die sie stießen, waren Ansammlungen von niedrigen Hütten aus Lehm, und selbst wenn es unter ihnen eine Kirche gab, war sie nicht als solche zu erkennen, die Leute dort begnügten sich mit wenigem, um den Herrn zu loben.
    »Bist du sicher, dass Zosimos hier durchgekommen ist?« fragte Baudolino, und

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