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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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größten Turm von Paris oder alle Berge der Welt und könnt’ sie nimmermehr abwerfen. Und diese Strafe ward mir zuteil für meine Gefallsucht, auferlegt hat sie mir Gottes Gerechtigkeit, weil ich meinen Körper für einen Ort der Lüste hielt, und weil ich mehr zu wissen vermeinte als andere, und weil ich Ergötzen fand an monströsen Dingen, die in meiner Phantasie umgingen und in meiner Seele noch weit monströsere Dinge zeugten – und mit diesen muss ich nun leben ewiglich! Sieh hier, das Futter dieses Mantels ist, als wäre es ganz aus Glut und brennendem Feuer, und dieses Feuer brennt meinen Körper, und diese Strafe ward mir verhängt für die Sünde des Fleisches, mit welcher ich mich befleckte, und dieses nimmermehr endende Feuer frisst mich von innen und verzehrt mich! Reiche mir deine Hand, mein schöner Lehrer‹, so sprach er, ›damit dir diese Begegnung eine nützliche Lehre sei, mit welcher ich dir vergelte die vielen Lehren, die du mir erteiltest. Reiche mir deine Hand, mein schöner Lehrer!‹ Und dabei schüttelte er einen Finger seiner brennenden Hand, und ein kleiner Tropfen von seinem Schweiß fiel auf meine Hand, und mich dünkte, dass er meine Hand durchbohre, und noch tagelang trug ich das Mal, nur dass ich es vor den anderen verbarg. Dann verschwand er zwischen den Gräbern, und am nächsten Morgen erfuhr ich, dass jener Körper, der mich so furchtbar erschreckt hatte, tot zu Füßen des Felsens lag.«
    Berengar atmete schwer, und Tränen strömten ihm übers Gesicht. »Wieso«, fragte William, »nannte er dich ›mein schöner ‹? Hattest du ihm etwas beigebracht?«
    Berengar verhüllte sein Haupt in der Kapuze und sank vor William auf die Knie. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht, warum er mich so nannte, ich habe ihm nichts beigebracht!« Heftig aufschluchzend umschlang er Williams Beine. »Pater, ich habe Angst, ich möchte beichten, erbarmt Euch meiner, ein Teufel frisst mir die Eingeweide!«
    William schüttelte ihn ab und reichte ihm die Hand, um ihn aufzurichten. »Nein, Berengar, nicht beichten sollst du mir. Verschließe nicht meine Lippen, indem du die deinen öffnest!
    Was ich von dir wissen will, musst du mir auf andere Weise sagen. Und wenn du es mir nicht sagen kannst, werde ich es auf meine Weise herausbekommen. Bitte mich um Erbarmen, wenn du willst, aber nicht um Schweigen! Zu viel wird in dieser Abtei schon geschwiegen. Sag mir lieber, wie du mitten in der finsteren Nacht sehen konntest, dass sein Gesicht bleich war, und wie du dir mitten im Regen und Schneesturm die Hand verbrennen konntest. Was hast du zu dieser späten Stunde auf dem Friedhof gemacht? Los, rede!« Er schüttelte ihn an den Schultern. »Sag mir wenigstens das!«
    Berengar zitterte an allen Gliedern. »Ich weiß nicht, was ich auf dem Friedhof machte, ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nicht, warum ich sein Gesicht sehen konnte, vielleicht hatte er ein Licht, nein... er hatte ein Licht, er trug eine Flamme, vielleicht sah ich sein Gesicht im Schein dieser Flamme...«
    »Wie konnte er ein Licht tragen, wenn es schneite und regnete?«
    »Es war nach Komplet, gleich nach Komplet, und es schneite noch nicht, es begann erst danach zu schneien... Jetzt fällt es mir ein, die ersten Sturmböen kamen auf, als ich zum Dormitorium floh. Denn ich floh zum Dormitorium, in die entgegengesetzte Richtung, in die das Gespenst entschwand... Und mehr weiß ich wirklich nicht. Ich bitte Euch, fragt mich nicht weiter, wenn ich Euch nicht beichten darf!«
    »Gut«, sagte William. »Geh nun, geh in die Kirche und sprich mit dem Herrn, wenn du nicht mit den Menschen sprechen willst, oder suche dir einen Bruder, der deine Beichte anhören will, denn wenn du seither nicht gebeichtet hast, hast du die heiligen Sakramente entweiht. Geh! Wir sehen uns noch.«
    Berengar eilte stolpernd davon. Und William rieb sich die Hände, wie ich es oft bei ihm gesehen hatte, wenn er von etwas befriedigt war.
    »Sehr gut«, freute er sich, »jetzt wird mir vieles klar.«
    »Klar?« fragte ich erstaunt. »Klar, Meister? Jetzt, wo wir zu allem anderen auch noch das Gespenst des Adelmus haben?«
    »Mein lieber Adson«, erklärte William, »dieses Gespenst scheint mir alles in allem recht harmlos gewesen zu sein, und jedenfalls rezitierte es eine Seite, die ich schon einmal in einem Lehrbuch ür Prediger las. Ich sage dir, diese Mönche lesen zu viel, und wenn sie erregt sind, sehen sie all die Visionen wieder, die sie beim Lesen der

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