Die historischen Romane
naiv.
»Wir haben hier einen harten Beruf auszuüben, lieber Adson: den harten Beruf des Inquisitors. Wir müssen die Schwachen packen, wenn sie am schwächsten sind.«
Als Ersten griffen wir uns gleich nach dem Gottesdienst den jungen Benno, der sich ins Skriptorium begeben wollte. Er schien verwirrt, als William ihn anrief, und versuchte sich uns mit fadenscheinigen Hinweisen auf irgendeine dringende Arbeit zu entziehen. Doch streng erinnerte ihn mein Meister daran, dass hier eine Untersuchung im Auftrag des Abtes durchgeführt werde, und nahm den Widerstrebenden mit in den Kreuzgang. Wir setzten uns auf die Brüstung zwischen zwei Säulen. Benno schwieg abwartend und schaute nervös zum Aedificium hinüber.
»Also«, begann William, »erzähl mir, was neulich geredet wurde, als ihr im Skriptorium über die Miniaturen eures Mitbruders Adelmus diskutiertet – du, Berengar, Venantius, Malachias und Jorge.«
»Ihr habt es gestern gehört, es fing damit an, dass Jorge sagte, es sei nicht recht, die ernsten Bücher, in denen die Wahrheit steht, mit unernsten Bildern zu verzieren. Venantius hielt dagegen, dass sogar der große Aristoteles die Meinung vertreten habe, Witze und Wortspiele könnten Mittel zur Enthüllung der Wahrheit sein, und folglich könne das Lachen ja wohl nichts Schlechtes sein, wenn es der Wahrheit als Vehikel zu dienen vermag. Worauf Jorge erwiderte, soweit er sich entsinnen könne, habe Aristoteles diese Dinge in seinem Buch der Rhetorik anlässlich der Metapher behandelt, und das seien bereits zwei bedenkliche Umstände: erstens, weil das Buch der Rhetorik, das der christlichen Welt so lange verborgen geblieben war, was vielleicht Gott so gewollt habe, nur durch Vermittlung der heidnischen Mauren zu uns gelangt sei...«
»Aber es wurde von einem Freund des Doctor Angelicus von Aquin ins Lateinische übersetzt«, warf William ein.
»Genau das habe ich auch gesagt«, fuhr Benno eifrig und sichtlich erleichtert fort. »Ich lese nicht sehr gut griechisch und konnte daher dieses große Buch nur in der Übersetzung Wilhelms von Moerbeke kennenlernen. Das war es, was ich zu Jorge sagte. Aber der ließ sich nicht erschüttern und fügte hinzu, die zweite Bedenklichkeit sei, dass der Stagirit in besagtem Buch von der Poesie gesprochen habe, die eine niedere Kunst sei und von Unstetigkeiten lebe. Worauf ihm Venantius zu bedenken gab, dass auch die Psalmen schließlich Werke der Poesie seien und Metaphern benutzten, und Jorge erregte sich sehr und erklärte, die Psalmen seien Werke aus göttlicher Inspiration und benutzten Metaphern, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, während die Werke der heidnischen Dichter Metaphern benutzten, um Lügen zu verbreiten oder zur schieren Ergötzung, was nun wieder mich sehr aufbrachte.«
»Warum?«
»Weil ich die Rhetorik studiere, und da muss ich viele heidnische Dichter lesen, und daher weiß ich... oder glaube zu wissen... dass durch ihre Worte sehr wohl auch Wahrheiten aufgedeckt werden, Wahrheiten, die naturaliter christlich sind... Nun ja, und an diesem Punkt, wenn ich mich recht entsinne, erwähnte Venantius andere Bücher, und Jorge wurde sehr zornig.«
»Welche Bücher?«
Benno zögerte: »Ich kann mich nicht mehr erinnern. Was spielt es für eine Rolle, von welchen Büchern gesprochen wurde?«
»Es spielt eine große Rolle, denn wir wollen herausbekommen, was zwischen Männern geschehen ist, die zwischen Büchern leben, mit Büchern und von Büchern, und daher ist es für uns auch wichtig, wie sie über die Bücher reden.«
»Das stimmt«, nickte Benno, wobei er zum erstenmal glücklich lächelte und fast zu strahlen begann. »Wir haben unser Leben den Büchern geweiht – eine wunderbare Mission in dieser von Unordnung und Verfall beherrschten Welt! Vielleicht versteht Ihr jetzt, was an jenem Tage geschehen ist. Venantius ist... war ein großer Kenner der griechischen Philosophie und sagte, Aristoteles habe das zweite Buch seiner Poetik speziell dem Lachen gewidmet, und wenn ein so großer Philosoph ein ganzes Buch allein über das Lachen geschrieben habe, dann müsse das Lachen doch wohl eine wichtige Sache sein. Worauf Jorge entgegnete, dass viele bedeutende Patres ganze Bücher über die Sünde geschrieben hätten, die auch eine wichtige Sache sei, aber zweifellos eine üble, wogegen Venantius einwandte, soweit er wisse, habe Aristoteles aber vom Lachen als einer guten Sache und einem Vehikel der Wahrheit gesprochen. Da fragte Jorge ihn
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