Die historischen Romane
in ihrer ganzen Fülle stets unerreichbar bleibt, um wieviel mehr spricht dann eine so herrliche Wirkung wie die des Goldes und der Diamanten von der göttlichen Kausalität, wenn selbst der Kot und das kleinste Insekt von ihr zu künden vermögen! Stets also, wenn ich in diesen Steinen so hohe Dinge erkenne, geht mir die Seele über vor freudiger Rührung – und das nicht aus irdischer Eitelkeit oder Liebe zum Reichtum, sondern aus reinster Liebe zur causa prima non causata.«
»Wahrlich, das ist die süßeste aller Theologien«, sagte William in vollendeter Demut, und mir schien, dass er dabei jene hinterhältige Denkfigur gebrauchte, die von den Rhetorikern Ironie genannt wird und die man stets nur gebrauchen sollte, nachdem man ihr die Pronuntiatio vorausgeschickt hat, die ihr Signal und ihre Rechtfertigung darstellt. Was William so gut wie niemals tat, weshalb ihn der Abt, der mehr dem korrekten Gebrauch der Redefiguren zugeneigt war, nun wörtlich nahm und, immer noch entrückt in seiner mystischen Verzückung, anfügte: »Sie ist die kürzeste aller Straßen, die uns in Kontakt mit dem Höchsten bringen, die materielle Theophanie.«
William hüstelte wohlerzogen und machte »Hm, äh...« So tat er es immer, wenn er auf ein neues Thema überleiten wollte, und er konnte das sehr elegant, denn er pflegte (wie es, glaube ich, typisch ist für die Menschen aus seiner Heimat) seine Interventionen stets mit langem Geächz und Gehüstel vorzubereiten, als kostete es ihn große Anstrengungen, einen neuen Gedanken darzulegen. Doch je mehr Geächz und Gehüstel er seiner Darlegung vorausschickte, desto überzeugter war er gewöhnlich, wie ich inzwischen wusste, von der Richtigkeit seiner Argumente.
»Hm, äh...«, machte William also. »Wir sollten jetzt vielleicht von dem bevorstehenden Treffen reden und von der Debatte über die Armut...«
»Die Armut, ach ja...«, der Abt war noch ganz versunken, als hätte er Mühe, herabzusteigen aus jener schönen Region des Universums, in welche ihn seine Gemmen entrückt. »Das Treffen, natürlich...«
Und alsbald begannen die beiden geschäftig über Dinge zu reden, die ich zum Teil schon wusste und zum Teil nun aus ihrem Gespräch erfuhr. Es ging, wie ich bereits zu Beginn dieser meiner getreuen Chronik berichtet habe, um jenen zwiefachen Streit, in welchem zum einen der Kaiser und der Papst einander gegenüberstanden und zum anderen der Papst und die Franziskaner, die sich in ihrem Kapitel zu Perugia, wenn auch mit einigen Jahren Verspätung, die Thesen der Spiritualen über die Armut Christi zu eigen gemacht hatten; darüber hinaus ging es um die Verwicklung, die sich durch das Bündnis der Franziskaner mit dem Reich gebildet hatte, eine Verwicklung, die neuerdings aus einem Dreieck von Gegensätzen und Allianzen zu einem Quadrat angewachsen war durch den (mir noch heute keineswegs völlig klaren) Eingriff der Äbte des heiligen Benediktinerordens.
Ich habe nie ganz verstanden, warum die benediktinischen Äbte den spiritualen Franziskanern Schutz und Zuflucht gewährt hatten, noch ehe ihr Orden als ganzer deren Meinungen in gewissem Maße zu teilen begann. Denn während de Spiritualen den Verzicht auf alle irdischen Güter predigten, gingen die Äbte meines Ordens – ich hatte selber soeben die schönste Bestätigung dafür erlebt – einen zwar nicht minder tugendhaften, aber völlig entgegengesetzten Weg. Mir scheint indessen, dass die Äbte der Ansicht waren, eine zu große Macht des Papstes werde eine zu große Macht der städtischen Bischöfe nach sich ziehen – hatte mein Orden doch seine Macht jahrhundertelang gerade im Kampf mit dem säkularen Klerus und den städtischen Kaufleuten zu behaupten vermocht, indem er sich selbst zum direkten Mittler zwischen Himmel und Erde und zum Berater der Souveräne machte.
Oftmals hatte ich jenen Lehrsatz gehört, dem zufolge sich das Volk Gottes auf Erden teilt in Hirten (die Kleriker), Hunde (die Krieger) und Herde (das einfache Volk). Später lernte ich freilich, dass dieser Satz sich auf mancherlei Weise neu formulieren lässt. Die Benediktiner sprachen häufig nicht von drei Ordnungen, sondern von zwei großen Abteilungen, deren eine die Verwaltung der irdischen Dinge betraf und deren andere die der himmlischen Dinge. Für die Verwaltung der irdischen Dinge galt dabei weiter die Trennung zwischen Klerus, weltlicher Herrschaft und Volk, doch über dieser Dreiteilung erhob sich der Ordo Monachorum als unmittelbare
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