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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verwandelt haben in eine Reihe privater Racheakte und sinnloser Morde!«
    »Erst vor wenigen Jahren«, antwortete kühl der Abt, »und nur wenige Tagereisen von hier entfernt hat eine dieser Banden, wie Ihr sie nennt, die Ländereien des Bischofs von Vercelli und die Berge von Novara mit Brandschatzung, Raub und Mord überzogen.«
    »Ihr sprecht von Fra Dolcino und den Apostoli...«
    »Den Pseudo-Apostoli«, korrigierte der Abt. Und wieder hörte ich diese Namen, und wieder wurden sie mit einer spürbaren Scheu ausgesprochen und mit einem Hauch von Erschrecken.
    »Den Pseudo-Apostoli«, bestätigte William gern. »Aber sie hatten nichts mit den Minoriten zu tun...«
    »Mit denen sie immerhin die Verehrung für Joachim von Fiore teilten«, beharrte der Abt. »Fragt doch Euren Mitbruder Ubertin!«
    »Ich weise Eure Erhabenheit darauf hin, dass Ubertin von Casale jetzt Euer Mitbruder ist«, erwiderte William lächelnd und mit einer leichten Verbeugung, als wollte er dem Abt gratulieren, dass er nun einen so bedeutenden Mann zu den Seinen zählen konnte.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte der Abt. »Und Ihr wisst, mit welch brüderlicher Fürsorge unser Orden die Spiritualen aufnahm, als sie vom Zorn des Papstes verfolgt wurden. Ich spreche nicht nur von Ubertin, sondern auch von vielen anderen, weniger hochberühmten Brüdern, von denen man nicht viel weiß, aber mehr wissen sollte. Denn es hat sich ergeben, dass wir Flüchtlinge aufnahmen, die in der Kutte der Minoriten bei uns angeklopft hatten, und später erfuhr ich dann, dass sie durch die Wechselfälle ihres Lebens eine Zeitlang den Dolcinianern recht nahegekommen waren...«
    »Auch hier?« fragte William.
    »Auch hier. Ich will Euch etwas enthüllen, worüber ich in Wahrheit leider recht wenig weiß und in keinem Falle genug, um Anklage erheben zu können. Doch da Ihr dabei seid, Nachforschungen über das Leben dieser Abtei anzustellen, sollt Ihr nun auch diese Dinge wissen. Ich sage Euch also: Ich hege den Verdacht – den Verdacht, wohlgemerkt, aufgrund von Dingen, die mir zu Ohren gekommen sind oder die ich erraten habe– dass es einen sehr dunklen Punkt im Leben unseres Cellerars gegeben hat, der hier vor Jahren genau nach dem Exodus der Minoriten eintraf...«
    »Der Cellerar?« rief William überrascht aus. »Remigius von Varagine ein Dolcinianer? Er scheint mir harmloser und in jedem Falle weniger um Frau Armut besorgt als irgendeiner...«
    »Ich kann in der Tat nichts Konkretes gegen ihn sagen und erfreue mich seiner guten Dienste, für welche die ganze Bruderschaft ihm hier Dank weiß. Ich sagte Euch dies nur, um Euch begreiflich zu machen, wie leicht man Verbindungen findet zwischen einem Frater und einem Fratizellen...«
    »Schon wieder seid Ihr ungerecht in Eurer Güte, wenn ich das sagen darf«, unterbrach ihn William. »Wir sprachen von den Dolcinianern, nicht von den Fratizellen. Von Letzteren kann man vieles sagen (auch ohne zu wissen, wovon man eigentlich spricht, denn es gibt vielerlei Arten von ihnen), nicht aber, dass sie blutrünstig seien. Schlimmstenfalls kann man ihnen vorwerfen, dass sie ohne allzu viel Überlegung Dinge tun, die von den Spiritualen maßvoller und im Geist der wahren Gottesliebe gepredigt worden sind – und in diesem Punkt gebe ich zu, dass die Grenzen zwischen den einen und den anderen manchmal recht fließend sind...«
    »Aber die Fratizellen sind Ketzer!« unterbrach der Abt schroff. »Sie beschränken sich nicht darauf, die Armut Christi und der Apostel zu vertreten, eine Lehre, die, auch wenn ich mich nicht gedrängt fühle, sie zu teilen, durchaus von Nutzen sein kann, um sie dem Dünkel der Avignoneser entgegenzuhalten. Aber die Fratizellen ziehen aus dieser Lehre eine praktische Folgerung, sie leiten daraus ein Recht auf Rebellion, auf Plünderung, auf Verkehrung der Sitten ab!«
    »Welche Fratizellen tun das?«
    »Alle, ganz allgemein. Ihr wisst, dass sie sich unsäglicher Verbrechen schuldig gemacht haben, dass sie die Ehe nicht anerkennen, dass sie die Existenz der Hölle verneinen, dass sie Sodomie begehen, dass sie die bogomilische Häresie des Ordo Bulgarii und des Ordo Drygonthii teilen...«
    »Ich bitte Euch«, sagte William, »vermischt nicht, was verschieden ist! Ihr sprecht, als ob Fratizellen, Patarener, Waldenser und Katharer und unter letzteren die Bogomilen aus Bulgarien und die Häretiker aus Dragovitsa alle dasselbe wären!«
    »Sie sind es«, beharrte der Abt. »Sie sind alle dasselbe, weil sie

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