Die historischen Romane
sondern im Gegenteil offen zu zeigen.«
»Gewiss«, sagte William höflich, »wenn Eure Erhabenheit es für richtig hält, dass der Herr auf diese Weise gepriesen sei, so hat Eure Abtei die höchste Stufe in dieser Form der Lobpreisung erreicht.«
»Und so soll es sein«, erklärte der Abt. »Wenn goldene Krüge und goldene Phiolen und kleine goldene Mörser nach Gottes Wort oder dem Geheiß der Propheten im Tempel Salomons dazu dienten, das Blut der geopferten Ziegen und Kälber und der roten Färse aufzufangen, um wie viel mehr müssen dann goldene Schalen und kostbare Steine und alle wertvollen Dinge der Schöpfung in steter Ehrfurcht und größter Andacht ausgelegt werden, wenn es gilt, das Blut Christi aufzunehmen! Gliche dank einer zweiten Schöpfung unsere Substanz selbst jener der Cherubim und Seraphim, so wäre der Dienst, den sie einem so unbeschreiblichen Opfer zu leisten vermöchte, noch immer nicht seiner würdig...«
»So ist es«, sagte ich fromm.
»Viele wenden hier ein«, fuhr der Abt fort, »dass ein von Andacht durchdrungener Geist, ein reines Herz und eine redliche Absicht für dieses heilige Amt genügen müssten. Wir sind gewiss die ersten, die ausdrücklich und entschieden erklären, dass dies das Wesentliche ist. Aber wir sind zugleich überzeugt, dass man Gott auch durch den äußeren Zierat der Weihegeräte huldigen muss, denn es ist in höchstem Maße nur recht und billig, dass wir unserem Erlöser mit allen Dingen restlos dienen – Ihm, der es nicht verschmäht hat, für uns mit allen Dingen restlos und ohne Vorbehalt zu sorgen.«
»Seit jeher war dies die Ansicht der Großen Eures Ordens«, pflichtete William bei, »und ich entsinne mich schönster Ausführungen über die Ornamente der Kirchen aus der Feder Eures hochbedeutenden und venerablen Abtes Suger.«
»So ist es«, sagte der Abt. »Seht dieses Kruzifix hier. Es ist noch nicht vollendet...« Er nahm es unendlich liebevoll in die Hand und betrachtete es, wobei sein Gesicht vor Glückseligkeit leuchtete. »Es fehlen noch einige Perlen, ich habe noch keine von der richtigen Größe gefunden. Einst sagte Sankt Andreas vom Kreuz auf Golgatha, es sei mit den Gliedern Christi geschmückt wie mit Perlen. Mit Perlen muss also dies schwache Abbild jenes großen Wunders geschmückt sein. Auch wenn ich es für angebracht hielt, an dieser Stelle, just über dem Haupt des Erlösers, den schönsten Diamanten einfügen zu lassen, den Ihr je gesehen habt...« Andächtig streichelten seine langen weißen Finger die kostbarsten Teile des heiligen Holzes, will sagen des heiligen Elfenbeins, denn aus diesem herrlichen Material waren die Arme des Kreuzes gemacht.
»Immer wenn mich, während ich voller Entzücken die Schönheiten dieses Gotteshauses betrachte, der Zauber seiner vielfarbigen Steine den äußeren Sorgen entrissen hat und eine würdige Meditation mich dazu bringt, durch Übertragung des Materiellen aufs Immaterielle nachzudenken über die Mannigfaltigkeit der heiligen Kräfte, dünkt mich, als sei ich gleichsam versetzt worden in eine sonderbare Region des Universums, die weder völlig befangen im Schlamm der Erde ist, noch völlig frei in der Reinheit des Himmels. Und mir ist, als könnte ich dank Gottes Gnade aus dieser niederen Welt anagogisch entrückt werden in jene höhere...«
Der Abt hatte sich umgewandt und schaute versonnen ins Kirchenschiff. Ein Lichtstrahl, der aus der Höhe kam, erleuchtete ihm dank einer besonderen Güte des Tagesgestirns das Antlitz und beide Hände, die er hingerissen von seiner eigenen Inbrunst zur Form eines Kreuzes geöffnet hatte, und beseelt fuhr er fort: »Alle Kreatur, ob sichtbar oder unsichtbar, ist Licht, zum Dasein gebracht vom Vater des Lichtes. Dieses Elfenbein, dieser Onyx, doch ebenso auch der Stein, der uns umgibt, sind Licht, denn ich erkenne, dass sie gut und schön sind, dass sie nach ihren richtigen Proportionsregeln existieren, dass sie sich nach Art und Gattung von allen anderen Arten und Gattungen unterscheiden, dass sie durch ihre eigene Zahl definiert sind, dass sie nicht abnehmen in ihrer Ordnung, dass sie sich ihren spezifischen Ort gemäß ihrer Schwerkraft suchen. Und je mehr diese Dinge mir offenbar werden, desto mehr wird die Materie, die ich betrachte, ihrer Natur nach kostbar und desto mehr verwandelt sie sich zum Licht der göttlichen Schöpfungsmacht, denn wenn ich von der Erhabenheit einer Wirkung zurückschließen muss auf die Erhabenheit ihrer Ursache, die mir
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