Die historischen Romane
Unseren sahen weder auf Würde noch auf Alter noch auf Geschlecht, und nahezu zwanzigtausend Menschen starben durchs Schwert. Nach derart vollbrachtem Gemetzel wurde die Stadt geplündert und in Brand gesteckt.«
»Auch ein heiliger Krieg ist ein Krieg.«
»Auch ein heiliger Krieg ist ein Krieg. Und darum sollte es vielleicht keine heiligen Kriege mehr geben. Aber was rede ich, ich bin hierhergekommen, um Kaiser Ludwigs Rechte zu vertreten, der im Begriff ist, ganz Italien in Brand zu stecken! Auch ich bin nur ein Spielball seltsamer Allianzen. Seltsame Allianz der Spiritualen mit dem Kaiser, seltsame Allianz des Kaisers mit Marsilius, der die Souveränität für das Volk verlangt, und seltsam ist auch die Allianz zwischen uns beiden, die wir durch Herkunft und Ziele so verschieden sind. Aber wir haben zwei gemeinsame Aufgaben: das Treffen erfolgreich durchzuführen und den Mörder zu finden. Versuchen wir also, sie in Frieden zu lösen.«
Der Abt breitete seine Arme aus. »Gebt mir den Friedens-Kuss, Bruder William! Mit einem Manne von Eurer Bildung könnte man lange disputieren über subtile Fragen der Theologie und Moral. Aber wir dürfen uns nicht der Disputierlust ergeben wie die gelehrten Herrn zu Paris. Es ist wahr, wir haben eine Aufgabe vor uns und müssen versuchen, sie gemeinsam und im Geiste der Eintracht zu lösen. Ich habe von all diesen Dingen auch nur gesprochen, weil ich glaube, dass sie in einem Zusammenhang stehen, in einem möglichen Zusammenhang, versteht Ihr? Beziehungsweise weil andere einen Zusammenhang herstellen könnten zwischen den Verbrechen, die hier geschehen sind, und den Thesen Eurer Mitbrüder. Nur darauf wollte ich Euch hinweisen, denn wir müssen jedem Verdacht und jeder Unterstellung der Avignoneser zuvorkommen.«
»Sollte ich nicht auch annehmen, dass Eure Erhabenheit mir zugleich eine Spur für meine Nachforschungen gewiesen hat? Meint Ihr, dass den jüngsten Vorfällen hier eine dunkle Geschichte zugrunde liegen könnte, die möglicherweise mit der häretischen Vergangenheit eines Eurer Mönche zu tun hat?«
Der Abt sah William einen Moment lang schweigend an, ohne dass seine Züge verrieten, was er dachte. Dann sagte er: »Ihr seid der Inquisitor in dieser traurigen Angelegenheit. Euch kommt es zu, jemanden zu verdächtigen und eventuell sogar einen ungerechten Verdacht zu hegen. Ich bin hier nur der gemeinsame Vater. Und seid gewiss: Wenn ich wüsste, dass die Vergangenheit eines meiner Mönche Anlass zu einem ernsthaften Verdacht gäbe, hätte ich selber bereits das Notwendige unternommen, um die üble Pflanze auszurotten. Was ich weiß, habe ich Euch gesagt. Was ich nicht weiß, möge allein dank Eurer Klugheit ans Licht kommen. Doch was immer Ihr findet, in jedem Falle bitte ich Euch: informiert mich unverzüglich und zuerst!«
Sprach’s, grüßte und ging aus der Kirche.
»Die Geschichte wird immer komplizierter, mein lieber Adson«, sagte William mit verdunkelter Miene. »Wir sind hinter einer geheimnisvollen Handschrift her, interessieren uns für das Treiben einiger allzu lustvoller Mönche, und da zeichnet sich plötzlich immer nachdrücklicher eine ganz andere Spur ab... Der Cellerar also... Und mit dem Cellerar kam damals jenes seltsame Wesen namens Salvatore... Doch lass uns jetzt ein paar Stunden schlafen, wir haben schließlich vor, die Nacht über wach zu bleiben.«
»Dann wollt Ihr also immer noch heute Nacht in die Bibliothek? Gebt Ihr die erste Spur nicht auf?«
»Keineswegs. Und wer hat überhaupt gesagt, dass es sich um zwei verschiedene Spuren handelt? Außerdem könnte die ganze Geschichte mit dem Cellerar auch nur ein falscher Verdacht des Abtes sein...«
Wir verließen die Kirche und gingen hinüber zum Pilgerhaus. Auf der Schwelle blieb William stehen und redete weiter, als hätte er gar nicht aufgehört.
»Im Grunde hatte der Abt mich gebeten, den Tod des Adelmus zu untersuchen, als er lediglich dachte, dass einige seiner jüngeren Mönche schamlose Dinge trieben. Nun aber hat der Tod des Venantius einen anderen Verdacht in ihm geweckt, vielleicht ahnt der Abt, dass der Schlüssel zum ganzen Geheimnis in der Bibliothek liegt, und will nicht, dass ich meine Nachforschungen auf sie ausdehne. Und deshalb setzt er mich jetzt auf die Spur des Cellerars, um meine Aufmerksamkeit vom Aedificium abzulenken...«
»Aber warum sollte er nicht wollen, dass...«
»Frag nicht so viel. Er hatte mir gleich zu Anfang gesagt, dass die Bibliothek tabu
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