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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sei. Er könnte doch selber in eine Sache verwickelt sein, von der er zunächst annahm, dass sie in keiner Beziehung zu Adelmus’ Tod stünde. Aber nun muss er feststellen, dass der Skandal um sich greift und auch ihn zu erfassen droht. Und darum will er nicht, dass die Wahrheit ans Licht kommt, jedenfalls nicht durch mich...«
    »Aber dann ist dieser Ort ganz von Gott verlassen«, sagte ich verzagt.
    »Hast du jemals einen Ort gefunden, in dem sich Gott rundum wohlfühlen könnte?« fragte William und sah mich ernst von der Höhe seiner Statur herab an.
    Dann schickte er mich in meine Zelle. Und während ich mich unter meiner Decke verkroch, fand ich, dass mein Vater mich besser nicht hätte in die Welt hinausschicken sollen, die viel größer und komplizierter war, als ich je gedacht. Allzu viel Neues musste ich lernen!
    » Salva me ab ore leonis«, betete ich, schon halb im Schlaf.

 
     
    Zweiter Tag
NACH VESPER
    Worin, obwohl das Kapitel kurz ist, der Greis Alinardus recht interessante Dinge über das Labyrinth andeutet und über die Art, wie man hineingelangt.
     
    I ch wachte erst auf, als es zur Vesper läutete, und war ganz benommen, denn der Schlaf am Tage ist wie die Sünde des Fleisches: Je mehr man davon gekostet hat, desto mehr will man davon haben, und dennoch fühlt man sich immer unwohl, befriedigt und unbefriedigt zugleich. William war nicht in seiner Zelle, gewiss hatte er sich schon viel früher erhoben. Ich fand ihn nach kurzer Suche, wie er gerade aus dem Aedificium kam. Er sagte mir, er sei im Skriptorium gewesen, habe ein wenig im Katalog geblättert, die Mönche bei ihrer Arbeit beobachtet und versucht, sich dem Tisch des Venantius zu nähern, um seine Inspektion fortzusetzen. Doch aus welchen Gründen auch immer, dauernd sei er dabei gestört worden. Erst sei Malachias gekommen, um ihm einige kostbare Miniaturen zu zeigen, dann habe Benno unter allerlei nichtigen Vorwänden seine Aufmerksamkeit beansprucht, und als er sich gerade niedergekniet habe, um das flache Regal unter dem ominösen Tisch zu inspizieren, sei Berengar aufgetaucht mit der dummen Frage, ob er ihm irgendwie behilflich sein könne.
    Schließlich habe Malachias, als er sah, dass William nun ernstlich begann, sich mit Venantius’ Büchern zu beschäftigen, klar und deutlich gesagt, er solle doch lieber zuerst die Erlaubnis des Abtes einholen; er selbst, obwohl er doch immerhin der Bibliothekar sei, habe sich diszipliniert und respektvoll zurückgehalten, niemand habe sich bisher dem Tisch genähert, William könne da ganz beruhigt sein, und es werde sich auch niemand nähern, ehe der Abt nicht entschieden habe, was weiter geschehen solle. Auf Williams Hinweis, dass der Abt ihn ermächtigt habe, sich frei und ungehindert in der ganzen Abtei zu bewegen, habe Malachias nur mit der maliziösen Frage geantwortet, ob diese Ermächtigung etwa auch für das Skriptorium gelte oder gar, Gott behüte, für die Bibliothek. William sei daraufhin zu der Einsicht gelangt, dass es in diesem Augenblick wohl nicht ratsam wäre, sich auf eine Kraftprobe mit Malachias einzulassen, obwohl natürlich all dieses Hin- und Hergezerre um die Bücher des Toten sein Interesse an ihnen nur noch gesteigert habe. Doch da er nun fest entschlossen sei, in der Nacht erneut ins Skriptorium zurückzukehren, wenn er auch noch nicht wisse, wie, habe er keine weiteren Zwischenfälle mehr provozieren wollen, erklärte er mir. Allerdings war ihm dabei anzusehen, dass er heftige Rachegedanken hegte, die man, wären sie nicht von reinem Streben nach Wahrheit beseelt gewesen, wohl hätte tadelnswert finden können.
    Bevor wir uns zur gemeinsamen Abendmahlzeit ins Refektorium begaben, machten wir noch ein paar Schritte im Kreuzgang, um die kühle Abendluft zu genießen. Einige Mönche wandelten dort meditierend umher. Im Garten vor dem Kreuzgang stießen wir auf den uralten Alinardus von Grottaferrata, der seine Tage, geschwächt an Körper und Geist, wie er war, gewöhnlich bei den Pflanzen verbrachte, wenn er nicht gerade zum Gebet in der Kirche weilte. Er schien nicht zu frieren und saß auf einer steinernen Bank vor dem Laubengang in der Abendsonne.
    William grüßte ihn freundlich, und der Alte lächelte, sichtlich erfreut, dass jemand Notiz von ihm nahm.
    »Schöner Abend heute«, sagte William.
    »Dank der Güte des Herrn«, gab der Alte zurück.
    »Der Himmel ist klar, aber die Erde hat sich verdüstert. Kanntet Ihr Venantius gut?«
    »Venantius, wer ist

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