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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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allesamt Ketzer sind, weil sie die Ordnung der zivilisierten Welt auf den Kopf stellen, auch die Ordnung des Reiches, die Ihr doch anscheinend begrüßt. Vor mehr als einem Jahrhundert steckten die Anhänger des Arnaldus von Brescia in Rom die Häuser der Adligen und der Kardinäle in Brand, und das war die Frucht der lombardischen Häresie der Patarener. Ich weiß schreckliche Geschichten über diese Häretiker, ich las sie bei Cäsarius von Heisterbach. In Verona bemerkte eines Tages der Kanonikus von Sankt Gideon, Eberhardus mit Namen, dass sein Zimmerwirt jede Nacht mit Frau und Tochter das Haus verließ. Er fragte, ich weiß nicht mehr wen der drei, wohin sie gingen und was sie dort taten. Komm und sieh selbst, wurde ihm geantwortet, und er folgte ihnen in ein unterirdisches Haus, worin Personen beiderlei Geschlechtes versammelt waren. Ein Häresiarch hielt ihnen, während sie alle still lauschten, eine höchst lästerliche Rede mit dem Vorsatz, ihr Leben und ihre Sitten zu verderben. Dann wurde die Kerze gelöscht, und jeder warf sich auf seine Nachbarin, ohne zu unterscheiden zwischen der legitimen Ehefrau und der Ledigen, zwischen Witwe und Jungfrau, zwischen Herrin und Magd noch auch (was das Allerschlimmste war, der Herr vergebe mir, dass ich so etwas ausspreche!) zwischen Tochter und Schwester. Als Eberhardus das alles sah, gab er – jung und wollüstig, wie er war – sich als neuer Anhänger der Bewegung aus, näherte sich, ich weiß nicht mehr, ob der Tochter seines Wirtes oder einer anderen Maid, wartete, bis die Kerze gelöscht war, und sündigte mit ihr. Solches tat er, Gott sei’s geklagt, mehr als ein Jahr lang, bis schließlich der Herr des Hauses sagte, dieser Jüngling habe nun ihre Sitzungen mit so viel Gewinn besucht, dass er bald in der Lage sein werde, die Neulinge zu unterweisen. Da erst begriff Eberhardus, in welchen Abgrund er geraten war, und entzog sich ihrer Verführung mit den Worten, er habe das Haus nicht aus Interesse an der Häresie besucht, sondern nur aus Interesse an den Mädchen. Sie jagten ihn fort. Aber seht Ihr, dies eben ist das Gesetz und die Lebensweise der Ketzer, seien sie nun Patarener, Katharer, Joachimiten oder Spiritualen aller Schattierungen! Und wen wundert es: Sie glauben nicht an die Auferstehung des Fleisches noch an die Hölle als Strafe der Sünder, und sie meinen, sie könnten ungestraft tun, was sie wollen. Ja, sie nennen sich Katharoi, das heißt: die Reinen!«
    »Ehrwürdiger Abbo«, sagte William, »Ihr lebt isoliert in dieser glanzvollen und heiligen Abtei, weit entfernt von den Schändlichkeiten der Welt. Das Leben in den Städten ist viel komplexer, als Ihr denkt, und wie Ihr wisst, gibt es Abstufungen auch im Irrtum und im Bösen. Lot war viel weniger sündig als seine Mitbürger, die ihre schändlichen Gedanken sogar auf die von Gott ausgesandten Engel warfen, und der Verrat des Apostels Petrus war nichts im Vergleich zu dem des Judas, weshalb der eine ja auch vergeben wurde und der andere nicht. Ihr könnt die Patarener nicht mit den Katharern auf dieselbe Stufe stellen. Die Patarener waren eine Bewegung zur Reform der Sitten innerhalb der Gesetze unserer heiligen Mutter Kirche. Sie wollten stets nur die Lebensweise der Kleriker verbessern...«
    »Indem sie lehrten, man dürfe die Sakramente nicht von unreinen Priestern annehmen...«
    »Womit sie irrten, aber das war ihre einzige Irrlehre. Sie hatten niemals die Absicht, Gottes Gebote anzutasten.«
    »Aber die patarenische Predigt des Arnaldus von Brescia, damals vor etwa zweihundert Jahren in Rom, trieb den Pöbel der Bauern dazu, die Häuser der Adligen und der Kardinäle anzuzünden!«
    »Arnaldus versuchte, die Magistrate der Städte in seine Reformbewegung hineinzuziehen. Sie folgten ihm nicht. Statt dessen fand er Anklang bei den Massen der Armen und Entrechteten. Er war nicht verantwortlich für die wütende Energie, mit welcher diese auf seine Appelle zu einer weniger sittenverderbten Stadt reagierten.«
    »Die Stadt ist immer sittenverderbt.«
    »Die Stadt ist der Ort, wo heute die Kinder Gottes wohnen, deren Hirte Ihr seid, deren Hirten wir sind. Und sie ist der Ort des Skandals, wo der reiche Prälat dem hungernden Volk die Armut predigt. Die Unruhen der Patarener sind die Folgen dieser Situation. Sie sind traurig, aber nicht unverständlich. Die Katharer sind etwas anderes. Sie sind eine orientalische Häresie außerhalb der kirchlichen Lehre. Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich die

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