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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Leser mit der Fähigkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen und dabei auch die Kuriositäten zu signalisieren, denn es gebe da einen befreundeten Verlag, der dankbar wäre, wenn einige Autoren von minderer Dignität zu ihm umgeleitet würden… Natürlich gelte es auch, eine angemessene Entschädigung festzusetzen.
    »Dank dem Himmel bin ich das, was man gemeinhin wohlhabend nennt. Wohlhabend und wissbegierig und sogar ein wenig beschlagen. Es genügt mir, im Laufe meiner Erkundungen auf ein weiteres Exemplar von Khunrath zu stoßen, oder auf einen weiteren schön einbalsamierten Salamander, oder auch auf das Horn eines Narwals (das ich mich schämen würde, in meiner Sammlung zu haben, das aber selbst der Wiener Kronschatz als das Horn eines Einhorns ausstellt), und ich verdiene mit einer kleinen und angenehmen Transaktion mehr, als Sie mir in zehn Jahren Beratertätigkeit zahlen könnten. Ich werde Ihre Manuskripte im Geiste der Demut durchsehen. Ich finde gewiss auch im allerfadesten Text noch einen Funken, wenn nicht von Wahrheit, so doch von bizarrer Lüge, und oftmals berühren sich die Extreme. Langweilen werden mich nur die Selbstverständlichkeiten, und für diese Langeweile können Sie mich entschädigen. Nach Maßgabe der Langeweile, die ich empfunden habe, schicke ich Ihnen am Jahresende eine kleine Rechnung, die sich in den Grenzen des Symbolischen halten wird. Wenn Sie Ihnen zu hoch erscheint, schicken Sie mir eine Kiste guten Weines.«
    Belbo war perplex. Er war es gewohnt, mit lamentierenden und geldgierigen Beratern zu verhandeln. Er öffnete die Aktenmappe, die er mitgebracht hatte, und entnahm ihr ein umfangreiches Manuskript.
    »Ich hoffe, Sie machen sich nicht zu optimistische Vorstellungen. Sehen Sie sich zum Beispiel dies hier an, das mir typisch für den Durchschnitt erscheint.«
    Agliè schlug das Manuskript auf: »Die geheime Sprache der Pyramiden… Schauen wir mal ins Inhaltsverzeichnis…
    Das Pyramidion… Der Tod des Lord Carnavon… Das Zeugnis Herodots…« Er klappte es wieder zu. »Haben Sie das gelesen?«
    »Rasch überflogen, in den letzten Tagen«, sagte Belbo.
    Agliè gab ihm das Manuskript zurück. »Nun gut, bestätigen Sie mir, ob mein Resümee korrekt ist.« Er setzte sich hinter den Schreibtisch, steckte die Hand in seine Westentasche, zog das Pillendöschen hervor, das ich schon in Brasilien gesehen hatte, drehte es in seinen schmalen gepflegten Fingern, die eben noch seine Lieblingsbücher gestreichelt hatten, hob die Augen zu den Deckengemälden und schien einen Text zu rezitieren, den er seit Langem kannte.
    »Der Autor dieses Buches müsste daran erinnern, dass 1864 Piazzi Smyth die heiligen und esoterischen Maße der Pyramiden entdeckte. Erlauben Sie mir, nur die abgerundeten ganzen Zahlen zu nennen, in meinem Alter beginnt die Erinnerung etwas nachzulassen… Es ist singulär, dass ihre Basis ein Quadrat bildet, dessen Seite 232 Meter misst. Die Höhe war ursprünglich 148 Meter. Rechnen wir das in heilige ägyptische Ellen um, so haben wir eine Basis von 366 Ellen, also die Anzahl der Tage eines Schaltjahres. Für Piazzi Smyth ergibt die Höhe multipliziert mit zehn hoch neun die Entfernung Erde-Sonne: 148 Millionen Kilometer. Eine gute Annäherung für jene Zeit, wenn man bedenkt, dass die Entfernung heute auf 149,5 Millionen berechnet wird, und es ist nicht gesagt, dass die Modernen recht haben. Die Basis geteilt durch die Breite eines ihrer Steine ergibt 365. Der Umfang der Basis beträgt 931 Meter. Geteilt durch die doppelte Höhe ergibt das 3,14, die Zahl π . Phantastisch, nicht wahr?«
    Belbo lächelte verwirrt. »Unglaublich! Aber sagen Sie, wie haben Sie das…«
    »Sei still, Jacopo, lass Doktor Agliè weitersprechen!« fiel ihm Diotallevi ins Wort.
    Agliè dankte ihm mit einem wohlerzogenen Lächeln. Dann sprach er weiter mit zur Decke gerichtetem Blick, doch mir schien, dass seine Inspektion weder müßig noch zufällig war. Seine Augen folgten einer Spur, als läsen sie aus den Bildern dort oben ab, was er aus den Tiefen seines Gedächtnisses auszugraben vorgab.

 
    48
     
    Von der Spitze zur Basis beträgt der Inhalt der
    Großen Pyramide, in ägyptischen Kubikzoll gemessen,
    ungefähr 161.000.000.000. Wie viele
    menschliche Seelen mögen von Adam bis heute
    auf der Erde gelebt haben? Eine gute Annäherung wäre etwas zwischen 153.000.000.000 und 171.900.000.000…
     
    Piazzi Smyth, Our Inheritance in the Great Pyramid ,
    London, Isbister, 1880, p.

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