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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Freund Casaubon weiß, betrachte ich mich als einen Liebhaber der Religionsgeschichte, und das hat zur Folge, dass etliche, und nicht selten, sich um Rat an mich wenden, vielleicht mehr an meinen common sense als an meine Fachkenntnisse. Es ist schon kurios, was für singuläre Personen man bisweilen unter den Adepten der Weisheitsstudien finden kann… Ich meine nicht nur die üblichen Melancholiker auf der Suche nach transzendentalem Trost, sondern auch Leute mit profundem Wissen und großer intellektueller Feinsinnigkeit, die sich jedoch dessenungeachtet nächtlichen Phantastereien hingeben und dabei den Sinn für die Grenze zwischen überlieferter Wahrheit und dem Archipel des Wunderlichen verlieren. Die beiden Herren, mit denen ich eben sprach, stritten sich über kindische Mutmaßungen. Dergleichen kommt leider, wie man so schön sagt, in den besten Familien vor. Aber nun folgen Sie mir bitte in meine Klause, da können wir in einer angenehmeren Atmosphäre plaudern.«
    Er schob den Ledervorhang beiseite und ließ uns ins Nebenzimmer eintreten. Klause hätten wir es nicht genannt, so geräumig, wie es sich darbot, ringsum möbliert mit exquisiten Regalen voll kostbar gebundener Bücher, sicherlich alle von ehrwürdigem Alter. Was uns besonders frappierte, waren einige Glasvitrinen, die schwer bestimmbare Objekte enthielten, Steine, wie uns schien, und kleine Tiere, bei denen wir nicht zu erkennen vermochten, ob sie ausgestopft oder mumifiziert oder fein nachgebildet waren. Über allem lag ein diffuses Dämmerlicht. Es schien durch ein großes Doppelfenster mit bleigefassten Rautenscheiben von bernsteinartiger Transparenz einzudringen, aber das Licht aus dem Fenster vermischte sich mit dem Schein einer großen Lampe auf einem Schreibtisch aus dunklem Mahagoni, bedeckt mit Papieren. Es war eine von jenen Lampen mit grünem Glasschirm, wie man sie bisweilen noch auf den Lesetischen alter Bibliotheken findet, die ein helles Oval auf die Buchseiten werfen, aber die Umgebung in einem milchigen Zwielicht belassen. Genau dieses Spiel verschiedener Lichter, beide aus unnatürlicher Quelle, ließ nun jedoch die Farben der Deckenbemalung eher aufleuchten als erlöschen.
    Es war eine gewölbte Decke, deren Bemalung den Eindruck weckte, als würde sie an den vier Ecken von schlanken, ziegelroten Säulen mit kleinen vergoldeten Kapitellen getragen, doch das trompe-l'oeil der Bilder, die sie überzogen, aufgeteilt in sieben Felder, ließ sie gebläht wie ein Segel erscheinen, und der ganze Raum hatte den Charakter einer Totenkapelle mit einer leicht sündhaften, melancholisch sinnlichen Note.
    »Mein kleines Theater«, sagte Agliè, »in der Manier jener Phantasien der Renaissance, die bildliche Enzyklopädien ausbreiteten, Gesamtdarstellungen des Universums. Mehr als ein Wohnraum ist dies für mich eine Maschine der Erinnerung. Hier sehen Sie kein Bild, das, wenn es sich in der richtigen Weise mit anderen verbindet, nicht ein Mysterium der Welt enthüllte und resümierte. Betrachten Sie jene Prozession von Figuren, die der Maler derjenigen im Palast zu Mantua nachgebildet hat: Es sind die sechsunddreißig Dekane, die Herren des Himmels. Und daher wollte ich, aus alter Gewohnheit und Treue zur Tradition, als ich diese herrliche Rekonstruktion von wer weiß wessen Hand gefunden hatte, dass auch die kleinen Objekte in den Vitrinen, die mit den Deckenbildern korrespondieren, die Grundelemente des Universums darstellen, Feuer, Wasser, Luft und Erde. So erklärt sich die Präsenz dieses graziösen Salamanders zum Beispiel, ein Meisterwerk der Taxidermie eines teuren Freundes, oder diese delikate, wenngleich ziemlich späte Miniaturnachbildung der Äolipile von Heron, auch Äolusbällchen genannt, worin die Luft in der kleinen Kugel, wenn ich dieses Spiritusöfchen entzünde, das ihr als Schale dient, sich erhitzt und aus diesen seitlichen Tüllen austritt, um die Kugel zum Kreisen zu bringen. Ein magisches Instrument, das schon die altägyptischen Priester in ihren Heiligtümern benutzten, wie viele berühmte Texte bezeugen. Sie benutzten es, um der Menge Wunder vorzutäuschen, und die Menge verehrte das Wunder, aber das wahre Wunder liegt in dem goldenen Gesetz, das die geheime und simple, ätherische und elementare Mechanik regelt: Luft und Feuer. Dies ist die Weisheit, die unsere antiken Ahnen besaßen, auch die Alchimisten noch, und die den modernen Konstrukteuren von Zyklotronen verlorengegangen ist… So wende ich nun meinen

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