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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Schwaden bilden könnten.
    Es war schwer, sich dem Zauber der Szenerie zu entziehen, auch weil die weißen Gewänder der Priesterinnen mit dem Weiß der Schwaden verschmolzen und ihre Gestalten aus der milchigen Dunkelheit aufzutauchen und wieder in sie zu versinken schienen, als würden sie von ihr erzeugt.
    Es gab einen Moment, in dem die Wolke das ganze Zentrum der Wiese erfüllte und einige Streifen, die zerfasernd aufstiegen, fast den Mond verdeckten, wenn auch nicht so sehr, dass sie die ganze Lichtung verdunkelten, denn an den Rändern blieb sie immer noch hell. In diesem Moment sahen wir eine Druidin aus der Wolke hervorkommen und direkt auf uns zulaufen, schreiend, mit vorgestreckten Armen, so dass ich schon dachte, sie hätte uns entdeckt und schleudere uns Flüche entgegen. Doch als sie dicht vor uns angelangt war, änderte sie ihre Richtung und begann, im Kreis um die Wolke zu laufen, verschwand nach links im weißlichen Dunst, um nach ein paar Minuten von rechts wieder zu erscheinen und uns erneut sehr nahe zu kommen, so dass ich ihr Gesicht sehen konnte. Es war das Gesicht einer Wahrsagerin mit großer dantesker Nase über einem schmalen, schlitzdünnen Mund, der sich öffnete wie eine unterseeische Blüte, zahnlos bis auf zwei Schneidezähne und einen asymmetrischen Eckzahn. Der Blick war beweglich, adlerscharf, stechend. Ich hörte, oder glaubte zu hören, oder glaube jetzt, mich zu erinnern, gehört zu haben – und lege über diese Erinnerung andere Erinnerungsbilder – zusammen mit einer Reihe von Worten, die ich damals für gälisch hielt, einige Beschwörungen in einer Art von Latein, etwas wie: »O pegnia (oh, e oh! intus) et eee uluma!!!« , und mit einem Schlag war der Nebel so gut wie verschwunden, die Lichtung klärte sich wieder, und ich sah, dass sie von einem Rudel Schweine erfüllt worden war, Schweine mit Ketten aus sauren Äpfeln um die gedrungenen Hälse. Die Druidin, die vorhin die Trompete geblasen hatte, zückte, immer noch auf dem Dolmen stehend, ein Messer.
    »Gehen wir«, sagte Agliè trocken. »Es ist zu Ende.«
    Die Wolke war plötzlich über uns und hüllte uns ein, so dass ich meine Nachbarn kaum noch sehen konnte.
    »Was heißt zu Ende?« protestierte Garamond. »Mir scheint, das Beste fängt gerade erst an!«
    »Zu Ende ist das, was Sie sehen konnten. Mehr gibt es nicht. Respektieren wir den Ritus. Gehen wir.«
    Wir traten zurück in den Wald, dessen Feuchtigkeit uns sofort umfing. Wir bewegten uns fröstelnd, stolpernd und rutschend auf faulendem Laub, keuchend und ungeordnet wie eine Armee auf der Flucht. Schließlich fanden wir uns auf der Straße wieder. Wir könnten in knapp zwei Stunden in Mailand sein, sagte Agliè. Bevor er zu Garamond in den Mercedes stieg, verabschiedete er sich mit den Worten: »Verzeihen Sie bitte, wenn ich das Schauspiel unterbrochen habe. Ich wollte Ihnen etwas zeigen, jemanden, der um uns lebt und für den im Grunde auch Sie mittlerweile arbeiten. Aber mehr gab es nicht zu sehen. Als ich über dieses Ereignis informiert wurde, musste ich versprechen, die Zeremonie nicht zu stören. Unsere Anwesenheit hätte die folgenden Phasen negativ beeinflusst.«
    »Aber was ist mit den Schweinen? Und was passiert jetzt?« fragte Belbo.
    »Was ich sagen konnte, habe ich gesagt.«

 
    63
     
    »Woran erinnert dich dieser Fisch?«
    »An andere Fische.«
    »Woran erinnern dich die anderen Fische?«
    »An andere Fische.«
     
    Joseph Heller, Catch 22 , New York, Simon
    & Schuster, 1961, XXVII
     
    Ich kam mit vielen Gewissenbissen aus Piemont zurück. Aber kaum sah ich Lia wieder, vergaß ich alle Begierden, die mich gestreift hatten.
    Allerdings hatte der Ausflug andere Spuren in mir hinterlassen, und ich finde es jetzt beunruhigend, dass sie mich damals nicht beunruhigt hatten. Ich war dabei, die Bilder für die Geschichte der Metalle Kapitel für Kapitel definitiv zu ordnen, und es gelang mir nicht mehr, mich dem Dämon der Ähnlichkeit zu entziehen, wie seinerzeit in Rio. Worin unterschieden sich dieser zylindrische Ofen von Réaumur, 1750, dieser Brutkasten zum Eierausbrüten und dieser barocke Athanor, ein Mutterleib, ein obskurer Uterus zum Ausbrüten von wer weiß was für mystischen Metallen? Es war, als hätte man das Deutsche Museum in jenem piemontesischen Schloss installiert, das ich eine Woche zuvor besucht hatte.
    Es fiel mir immer schwerer, die Welt der Magie von dem zu trennen, was wir heute das Universum der Präzision und Exaktheit

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