Die historischen Romane
sondern die Erzählung von dem, was du und ich machen und was sie gemacht haben. Klar? Also weiter. Zwei Arme und zwei Beine machen zusammen vier, und deswegen ist auch die Vier eine schöne Zahl, besonders wenn du bedenkst, dass die Tiere vier Beine haben und dass die kleinen Kinder auf vier Beinen laufen, wie schon die Sphinx wusste. Von der Fünf brauchen wir nicht zu reden, fünf sind die Finger der Hand, und mit zwei Händen hast du die andere magische Zahl, die Zehn, weshalb es notwendigerweise auch zehn Gebote sein müssen, denn stell dir vor, es wären zwölf, und der Priester sagt erstens, zweitens, drittens und zählt sie mit den Fingern auf, dann müsste er sich für die beiden letzten Gebote die Finger des Küsters ausleihen. Jetzt nimm den Körper und zähl mal alles, was aus dem Rumpf rausragt. Mit Armen, Beinen, Kopf und Penis sind es sechs Sachen, aber bei der Frau sind es sieben, und deswegen, scheint mir, ist die Sechs von deinen Autoren nie richtig ernst genommen worden, höchstens als Verdoppelung der Drei, weil sie nur bei den Männern funktioniert, die keine Sieben haben, und wenn sie kommandieren, ziehen sie's vor, die Sieben als heilige Zahl zu sehen, wobei sie vergessen, dass auch meine Titten vorspringen, aber egal. Acht – mein Gott, wir haben nichts mit acht am Leib ... nein, warte, wenn man die Extremitäten nicht als je eine zählt, sondern als zwei, dann haben wir wegen der Ellbogen und der Knie acht große lange Knochen, die rausragen, und nimm diese acht plus den Rumpf, und du hast neun, und wenn du den Kopf dazunimmst, kommst du auf zehn. Und so kannst du weitermachen, immer rund um den Körper herum, und kommst auf jede Zahl, die du willst, denk nur mal an die Löcher.«
»Die Löcher?«
»Ja, wie viele Löcher hat dein Körper?«
»Hmm ... « Ich zählte an mir: »Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund, ein Arschloch ... Acht.«
»Siehst du? Noch ein Grund, warum die Acht eine schöne Zahl ist. Aber ich habe neun! Und mit dem neunten lasse ich dich zur Welt kommen, und deshalb ist die Neun göttlicher als die Acht! Und willst du die Erklärung für weitere Figuren, die immer wiederkehren? Willst du die Anatomie der Menhire, von denen deine Autoren andauernd reden? Bei Tag steht man aufrecht und nachts liegt man flach, das gilt auch für dein Dingsda – nein, sag mir jetzt nicht, was dein Dingsda nachts macht, Tatsache ist, dass es im Stehen arbeitet und sich im Liegen ausruht. Und deswegen ist die vertikale Stellung das Leben und steht in Beziehung zur Sonne, und die Obelisken ragen genauso empor wie die Bäume, während die horizontale Stellung und die Nacht der Schlaf sind und folglich der Tod, und alle verehren Menhire und Pyramiden und Säulen, und niemand verehrt Balkone und Balustraden. Hast du jemals von einem archaischen Kult des heiligen Geländers gehört? Na bitte! Und nicht bloß, weil's der Körper dir nicht erlaubt: wenn du einen senkrechten Stein anbetest, kann jeder ihn sehen, auch wenn ihr viele seid, aber wenn du was Horizontales anbetest, dann sehen es nur die in der ersten Reihe, und die andern drängeln von hinten und rufen ich auch, ich auch, und das ist kein schönes Bild für eine magische Zeremonie ... «
»Aber die Flüsse ... «
»Die Flüsse werden nicht angebetet, weil sie horizontal sind, sondern weil da Wasser drin fließt, und du wirst doch nicht wollen, dass ich dir die Beziehung zwischen dem Wasser und dem Körper erkläre ... Tja, siehst du, wir sind eben so gebaut, wir Menschen, wir alle, wir haben alle den gleichen Körper, und deshalb erfinden wir alle die gleichen Symbole, auch wenn wir Millionen Kilometer voneinander entfernt sind, und alles ist zwangsläufig ähnlich, und nun kapierst du auch, dass Leute mit Grips im Kopf, wenn sie den Ofen des Alchimisten sehen, der rundum zu ist und innen warm, dann denken sie an den Mutterleib, der das Kind hervorbringt, und nur deine Diaboliker sehen die Madonna mit dem Kind im Leib und denken, sie wäre eine Anspielung auf den Alchimistenofen. So haben sie Jahrtausende mit der Suche nach einer verborgenen Botschaft verbracht, und dabei war alles schon da, sie brauchten nur mal in den Spiegel zu sehen.«
»Du sagst mir immer die Wahrheit. Du bist mein Ich, und das heißt mein Sich, gesehen durch Dich. Ich möchte alle verborgenen Archetypen des Körpers entdecken.« An jenem Abend erfanden wir den Ausdruck »die Archetypen entdecken« für unsere Momente der Zärtlichkeit.
Als ich
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