Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Bruders. Der Jude Luc Asrican gibt nach dem Krieg gegenüber dem US-Geheimagenten Louis Plumbo zu Protokoll: »Bevor ich Deutschland verließ, lebte ich mit meiner Familie in Berlin am Wittenbergplatz 3 … Herr Alois Hitler kaufte dieses Haus. Vorne links hat es ein Restaurant … Sobald Alois das Etablissement in seinem Namen eröffnete, änderte sich die Kundschaft. SA und SS waren seine Gäste. Die Veränderung wurde im Haus und der ganzen Umgebung bemerkt … Mein Vater wurde von Angestellten des Lokals geschlagen, weil er Jude war … Herrn Hitlers Reaktion war nur: Warum verzieht ihr euch nicht, ihr dreckigen Juden!« 157
Kontakt mit dem Untergrund
War Alois als gebürtiger Wiener früher Anhänger der k.u.k.-Monarchie, so schwenkt er nun Fähnlein mit Hakenkreuzen. Besonders, nachdem der österreichische Staatsbürger bereits im Oktober 1935, also schon lange vor dem »Anschluss«, die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und erhalten hat. Sein Sohn Heinz denkt ebenfalls stramm nationalsozialistisch, er will im Jahr 1938 Berufsoffizier werden. Sein Onkel Adolf ist zuerst dagegen, weil er Sorge hat, der Name werde die anderen Soldaten zu liebedienerischem Verhalten animieren. Doch Heinz Hitler wird Unteroffizier im Potsdamer Artillerieregiment 23. Seine Einheit kämpft in Russland. Im Winterkrieg vor Moskau 1941/42 fällt er – Vater Alois klammert sich noch lange an die Hoffnung, Heinz sei nur verschollen.
Alois, zu Kriegsbeginn bereits 57 Jahre alt, bleibt den ganzen Krieg über in Berlin. Auch wenn die Lebensmittel knapp werden und es Essen nur auf Marken gibt, so schafft er es doch, sein Lokal fast bis zum Ende offen zu halten. Er stellt sogar Erna Hietler als eine Art Geschäftsführerin ein. Sie ist die Frau von Johann »Hans« Hietler, einem Wiener Neffen von Alois, von der Familienlinie der Mutter Klara abstammend.
Während des Krieges hätte Alois die Chance, gegen seinen berühmten Verwandten zu kämpfen – im Untergrund. Denn er kommt mit dem deutschen Widerstand in Berührung. Eine Gruppe Männer und Frauen, bekannt unter dem nationalsozialistischen Propagandanamen »Rote Kapelle«, hat sich zum Ziel gesetzt, den Diktator zu stürzen. Die Truppe sammelt Informationen, die sie weitergibt. Viele bezahlen ihren Mut mit dem Leben. Und die Männer und Frauen drucken unter Lebensgefahr Flugblätter, die sie in Umschläge stecken und mit der beigefügten Bitte verschicken, diese Schreiben wiederum weiterzureichen und auf diesem Weg einen Beitrag zur Auflehnung gegen das Unrechtsregime zu leisten.
Anfang Januar 1942, der Krieg gegen die Sowjetunion ist voll entbrannt, die militärischen Erfolge wollen sich nicht mehr einstellen, verfasst Harro Schulze-Boysen, zentrale Figur der Organisation, ein Flugblatt mit der Überschrift »Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk«, das zur Verbreitung unter bekannten Persönlichkeiten vorgesehen ist. Darin heißt es in dunkler Vorahnung: »Im Namen des Reiches werden die scheußlichsten Quälereien und Grausamkeiten an Zivilpersonen und Gefangenen begangen. Noch nie ist in der Geschichte ein Mann so gehasst worden wie Adolf Hitler. Der Hass der gequälten Menschheit belastet das ganze deutsche Volk … Das Volk weiß, dass es sich eines Tages vor der Geschichte, vor sich selbst und vor der Welt wird verantworten müssen … Mögen diejenigen weiter untätig bleiben, die zu träge sind, die Wahrheit zu suchen … Jeder kriegsverlängernde Tag bringt nur neue, unsagbare Leiden und Opfer. Jeder weitere Kriegstag vergrößert nur die Zeche, die am Ende von allen bezahlt werden muss … Hitler geht unter, ebenso wie Napoleon untergegangen ist. Wer die Zukunft des Volkes weiterhin mit dem Geschick Hitlers vergleicht, begeht ein Verbrechen.« Das sind visionäre Sätze. Das Flugblatt ruft auch zum Widerstand auf: »Erst die Verweigerung von Gehorsam und Pflichterfüllung bringt die Voraussetzung der Errettung des Volkes vor dem Untergang … Jeder muss Sorge tragen, dass er – wo immer er kann – das Gegenteil von dem tut, was der heutige Staat von ihm fordert … Protestiert immer lauter, wenn ihr an allen Ecken und Enden Schlange stehen müsst. Hört auf damit, Euch alles gefallen und bieten zu lassen. Lasst Euch nicht länger einschüchtern. Straft die SS mit Verachtung! Lasst sie es fühlen, dass das Volk Mörder und Spitzel aus tiefster Seele verabscheut! … Schluss mit der Gedankenlosigkeit und Gefühlsduselei.« 158
Als Adressat wählen die
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