Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Leonhardtstraße 5 schlägt Alois die nächsten Jahre sein privates Domizil auf. SS-Soldaten kehren in dem Lokal ein, aber großer Staat ist damit nicht zu machen, dafür ist es zu klein und zu schäbig. Geradezu wie Hohn muss es in seinen Ohren klingen, wenn die Gäste ihn mit dem obligatorischen »Heil Hitler!« begrüßen. Gilt es doch eigentlich Bruder Adolf. Schnell wird klar: Um den Namen besser zu verzinsen, muss ein repräsentativer Betrieb her. Nach einigem Suchen findet Alois eine passende Lokalität am Wittenbergplatz 3, gegenüber dem Kaufhaus des Westens – in idealer Zentrumslage, umgeben von Geschäften für gehobene Ansprüche.
Im Herbst 1937 ist es soweit, der gelernte Kellner eröffnet seine Gaststätte in der 700-Jahrfeier-Jubelstadt. Er nennt sie »Alois« und fügt am Eingang und auf den Briefbogen in einer Unterzeile hinzu: »Inhaber Alois Hitler«. Das Lokal gleich mit zugkräftigen Namen wie »Bei Hitler« oder »Hitlers Weinstube« zu versehen, traut sich Alois denn doch nicht. Er fürchtet den Zorn seines kleinen Bruders, »seine einzige Sorge« sei, dass Adolf ihm »in einem Augenblick des Zorns seine Konzession entziehen« könne – eine begründete Angst. Zumindest hat Alois den Familiennamen mit untergebracht.
Diesmal rührt der Gastwirt mächtig die Werbetrommel, um seine Gaststätte mit Konditorei, Bier- und Weinausschank in ganz Berlin bekannt zu machen. Alois schaltet in der Zeitung Inserate und versucht sich gleich selbst als Mundartdichter und Werbetexter:
»Als neuer Wirt lad’ ich Euch ein:
Kommts liebe Leute, kommts herein!
Gemütlich ist’s in meinen Hallen,
also wird es Euch gefallen!
Laßt bei mir den Tisch Euch decken,
was ich koche, wird Euch schmecken!
Eisbein, Haxen, Bärenschinken
Und was Zünftiges zu Trinken
Als wie Münchner Bier vom Faß
Wein in Flaschen oder Glas.
Jeder kann auf seine Weise
Und zu recht bescheidenem Preise
Bei mir haben, was er mag,da gibt’s nix, does is koa Frag!
Müßt halt’ bald mal einischaugn,
selber sehn mit eigne Augen
was sich tut bei mir herein,
was ich kann und wer ich bin
Also kommt’s, recht schöne Grüß
Sendt Euch Euer Alois.« 154
Das Marketing hat Erfolg. Der Name »Alois Hitler« verbreitet sich. Die schlagende Studentenverbindung »Jenaer Preußen« verlagert ihren Stammtisch vom »Weinhaus Huth« ins »Alois« und folgt dem Ruf ihres früheren Kellners. Sogar die internationale Presse findet das Ereignis einen Bericht wert. Die New York Times zeigt ein Foto Alois Hitlers vor seinem Lokal und meldet ein »boomendes Geschäft, obwohl die Bedienungen die verwandtschaftlichen Beziehungen ihres Chefs zum Führer nicht gerne erörtern.« Alle Gäste werden mit »Heil Hitler!« begrüßt.
Das Lokal avanciert schnell zu einer Art Szenetreffpunkt für die Neugierigen und Promi-Süchtigen jener Zeit – Schauspieler, Parteisoldaten, Regierungsvertreter. Es gilt als chic, bei »Hitler« vorbeizuschauen. Wenn man schon Hitler Nummer eins nicht zu sehen kriegt, so doch wenigstens seinen Bruder Alois. Für ein Frühstück »bis drei Uhr nachmittags«, wie die Speisekarte verspricht, 155 reicht es allemal, »1 Kännchen Kaffee, Tee oder Schokolade und zwei Brötchen mit Butter und Marmelade« für 0,70 Mark. Für den Hunger »Ragout fin in Muschel« oder »Pikanter Fleischsalat – Spezialität des Hauses« für eine Mark, als Nachtisch »Schweden-Früchte mit Sahne« für 1,25 Mark. Die Zecher ordern »Cinzano Wermouth 0,1 Liter«, für 0,58 Mark, einen halben Liter Pilsener Urquell für 0,80 Mark und als Hochprozentiges »Winkelhausen Alte Reserve« für 0,58 Mark oder »Hennessy & Co. 2,5 cl« für 1,75 Mark.
Nur die erste Garde der Nazi-Diktatur bleibt aus. Auch Adolf tut seinem Bruder nicht den Gefallen, das Restaurant mit seinem Besuch zu adeln. Im Gegenteil, wie sehr Adolf Hitler in Wirklichkeit den erlernten Beruf seines Bruders Alois verabscheut, zeigt der Befehl des Diktators, der aus einem Schreiben seines Intimus Martin Bormann an Robert Ley hervorgeht: »Zu Ihrer Unterrichtung teile ich Ihnen mit, dass der Führer, soweit irgend möglich, die Bedienung durch Kellner in allen Gaststätten abgeschafft wissen will. Die Tätigkeit eines Kellners ist nach Auffassung des Führers nicht die richtige Arbeit für einen Mann, sondern vielmehr die gegebene Arbeit für Frauen und Mädchen.« 156
Bestimmte Menschen will Alois Hitler schon gar nicht in seinem Haus haben – da liegt er ganz auf der Linie seines
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