Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
englischer Staatsbürger, der eng mit dem NSDAP-Chef verwandt ist und vielleicht Auskunft über dessen wohlgehütetes Privatleben geben kann, einige Aufmerksamkeit wert. So genießt William Patrick Hitler Ende der zwanziger Jahre eine bescheidene Prominenz.
Als der Zug am Bahnhof in Berlin ausrollt, lässt William Patrick den Blick über die wartende Menschenmenge schweifen, um seine Tante Angela Raubal zu entdecken, die Schwester von Adolf und Alois. Aber kein bekanntes Gesicht ist zu sehen – doch halt: Am Bahnsteig steht der angeblich todkranke Vater Alois! Der erklärt seinem Sohn verlegen, das Telegramm sei nur ein Lockmittel gewesen, um ihn in die Reichshauptstadt zu bringen. Die wahre Triebfeder hinter der Farce sei Bruder Adolf. Und der koche vor Zorn.
Ohne weitere Erklärung schiebt Alois seinen Sohn in ein wartendes Auto. Darin sitzt bereits Tante Angela. Nach einer kurzen Begrüßung lässt sich das Trio schweigend von dem Chauffeur zu einem Hotel in der Linkstraße fahren. Dort herrscht geschäftiges Treiben: Braununiformierte sind an den Türen postiert, ein Assistent begleitet die Neuankömmlinge in das obere Stockwerk, wo der NS-Führer residiert. Als sie das Eckzimmer betreten, steht Adolf Hitler mit dem Rücken zu ihnen am Fenster, blickt auf die Straße. Die drei wagen sich kaum zu rühren. Nach einer Weile dreht sich Hitler um, fixiert seine Gäste kalt und geht schweigend im Raum auf und ab. Nach einigen Minuten bleibt er abrupt stehen: »Gerade mir muss das passieren«, ruft Hitler und starrt an die Wand. »Ich bin von Idioten umgeben. Ja, ihr seid Idioten! Ihr zerstört alles, was ich mir mit meinen Händen aufgebaut habe. Ihr werdet mich noch fertig machen!« 163 Seine Stimme wird lauter, er wendet sich an William: »Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, dich als Experte für meine Privatangelegenheiten aufzuspielen?« Hitler beschwert sich, dass ausländische Journalisten daraufhin bei ihm angefragt hätten, ob er in London einen Neffen hätte, der für die Familie sprechen könne. »Sie stellten mir persönliche Fragen – mir! Mit welcher Vorsicht habe ich immer meine Person und meine persönlichen Angelegenheiten vor der Presse verborgen! Die Leute dürfen nicht wissen, wer ich bin. Sie dürfen nicht wissen, woher ich komme und aus welcher Familie ich stamme … Man wird Spitzel auf die Fährte unserer Vergangenheit schicken.«
Nach dieser Begrüßung erklären Tante Angela und Onkel Adolf dem verdutzten William: Er sei gar nicht mit Adolf Hitler verwandt, denn Alois habe eine andere Mutter und einen anderen Vater. Alois bleibt still. Adolf fordert William Patrick auf, in England öffentlich seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu dementieren. Schon ruhiger geworden, reicht der NS-Führer den Besuchern die Hand zum Abschied und schickt sie wieder hinaus. William reist konsterniert nach Hause. Es ist die erste Auseinandersetzung mit dem berühmten Onkel. William Patrick Hitlers Leben nimmt daraufhin einen anderen Verlauf, führt ihn auf ungewöhnliche Pfade und beschert ihm ein Schicksal, das sich völlig von den übrigen Hitlers abhebt.
William Patrick Hitler im Alter von 18 Jahren
Die Irin Bridget Dowling hatte als 18-Jährige den Kellner Alois Hitler in London geheiratet. Neun Monate später, am 12. März 1911, kam William Patrick in einer Liverpooler Wohnung zur Welt. Die Familienidylle der englischen Hitlers dauerte nur drei Jahre – dann verschwand Alois aus dem Leben von Bridget und William Patrick, den der Vater immer nur »Willie« nannte, die Mutter hingegen »Pat«.
Bridget, die durch die Heirat die österreichische Staatsbürgerschaft ihres Mannes angenommen hat, muss sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen und ist auf die finanzielle Unterstützung ihrer Familie angewiesen. Denn Geld hat Alois Hitler ebenfalls nicht hinterlassen. Mutter und Sohn leben in einer kleinen Wohnung in der Upper Stanhope Street 102, Toxteth Park.
Willie geht in die St. Margaret’s Church of England School, dorthin schickt ihn die Mutter trotz ihres katholischen Glaubens. Der Bub gilt in der Schule als kluges, aufgewecktes Kind, schließt sich den Pfadfindern an, die Mama ist stolz auf ihn. Klassenkameraden schildern ihn als ruhigen, blässlichen, aber charmanten Jungen. Später besucht Willie das St. Margaret’s College in Liverpool und das Ashford College in Kent. Fünf Jahre lang ist er nach den Unterlagen Student an der Royal Society of Arts in London, er verlässt das Institut aber
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