Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
ihm genügt der Ersatz eines Buchstabens, durch »l« statt »t« wird aus Hitler ein »Hiller«. Offenbar ist es Alois wichtig, den Familiennamen zumindest so ähnlich klingen zu lassen wie vorher. Da stimmt er sich mit seinem Neffen Hans Hietler ab, der ebenfalls die Namensänderung in Hiller vollzieht und fortan in Hamburg unter Johann – oder Hans – Hiller lebt.
Der Antrag auf Namenswechsel löst einige Aktivitäten bei den Behörden aus. Trotz des Zusammenbruchs arbeitet die deutsche Bürokratie pflichtgemäß weiter. Sie fordert Geburts- und Heiratsurkunden an, erteilt die Belehrung, dass die Gebühr für die Umschreibung 5 bis 2 000 Reichsmark kosten kann – am Schluss sind es 50 Mark. Der Kommandeur der Polizei Hamburg vermerkt unter der Registernummer IICII.NÄ.Nr.116/45 am 24. Oktober 1945: »Antragsteller ist der Stiefbruder des früheren Führers des Deutschen Reiches Adolf Hitler. Wegen der Namensgleichheit mit diesem hat Antragsteller jetzt geschäftlich und seelisch schwer zu leiden, indem ihm jede geschäftliche Tätigkeit unmöglich gemacht und im Umgang mit dritten Personen bei der Vorstellung mit seinem Namen sofort auf die erwähnte Namensgleichheit angespielt wird. Der Antrag erscheint daher begründet. Nachteiliges über den Antragsteller ist hier nicht bekannt geworden … Die Eltern des Antragstellers sind bereits verstorben. Geschwister hat er nicht.« 162
Das ist falsch. Die Angabe beruht auf einem Fragebogen, den Alois für die Behörden handschriftlich ausgefüllt hat. Im Jahr 1945 leben sowohl noch seine leibliche Schwester Angela, verheiratete Hammitzsch, als auch seine Halbschwester Paula. Offenbar verleugnet Alois seine Hitler-Blutsbande. Genauso, wie er in der Spalte »Kinder« zwar seinen Sohn Heinz aus der Ehe mit Hete aufführt, seinen Erstgeborenen William Patrick aber, aus der Ehe mit Bridget, unerwähnt lässt. Für die Behörden sind solche Unwahrheiten zweitrangig, sie forschen nicht weiter nach und erteilen die Genehmigung auf Namensänderung, Alois erhält das Dokument am 5. November 1945 ausgehändigt.
Obwohl gesundheitlich angeschlagen, träumt der 63-jährige Alois davon, wieder Unternehmer zu werden und erneut ein Lokal in Berlin zu eröffnen. Daraus wird nichts. Er bleibt die Nachkriegszeit über in Hamburg. Die selbst gewählte Anonymität durchbricht Alois Hiller später wieder – er gibt Interviews für Zeitungen, lässt sich fotografieren. Seine Biographie bleibt in den letzten Jahren seines Lebens unauffällig – ein Ruheständler mit bescheidenem Auskommen, der eine kleine Gaststätte in der Nähe des Hamburger Dammtors betreibt und sich um den Garten kümmert. Einzig für Touristen, die wissen, wer sich hinter dem Namen Alois Hiller versteckt, signiert der Mann schon mal Bilder seines Bruders Adolf mit dem Schriftzug »Hitler«.
Alois Hitler junior im Alter
Am 20. Mai 1956 stirbt Alois Hitler im Alter von 74 Jahren in Hamburg. Er wird auf dem Friedhof in Ohlsdorf beerdigt. Das Grab ist mittlerweile aufgelassen und eingeebnet, genauso wie die letzten Ruhestätten seiner früh verstorbenen Brüder im Nichts der Geschichte verschwanden.
5 Hitler gegen Hitler
Das Telegramm aus dem Ausland schreckt den jungen Mann auf: »Vater stirbt. Stop. Komm sofort nach Berlin. Stop. Tante Angela.«
Der 19-Jährige packt flugs seinen Koffer, sucht die nächste Schiffsverbindung von London nach Deutschland, macht sich noch am selben Abend auf die Reise. Der junge Mann ist völlig aufgelöst: Soll er den Vater schon wieder verlieren, kaum da er ihn wiedergefunden hat? Den er viele Jahre für tot gehalten und dem er seit seiner überraschenden Wiederauferstehung erst zweimal begegnet ist? Einen Vater, von dem er bisher weiter nichts gehabt hat als den Namen: Hitler.
William Patricks Vater ist Alois Hitler. Seit kurzem versucht der im Stich gelassene Sohn, Kapital aus dem berühmten Namen zu schlagen, mit dem er all die Jahre unbeachtet lebte: Er gibt den englischen Zeitungen Evening Standard und Evening News Interviews, in denen er sich als des aufstrebenden Politikers Neffe präsentiert. Dazu passend pflegt er eine weltmännische Erscheinung, die sein jugendliches Alter und seine bescheidene Herkunft verleugnet: dunkler Nadelstreifenanzug, makellos gebügeltes Hemd, dezent gemusterte Krawatte, auf Hochglanz polierte Schuhe. Der hochgeschossene Jüngling mit dem dunklen Haar kultiviert ein lässiges Auftreten, als sei er zum Dandy geboren. Der Presse ist ein
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