Die Hitze der Hölle
der Wachen. »Sofort.«
Der Sergeant, der die Verantwortung hatte, zuckte mit den Schultern und nickte dann. Er führte Corbett um das Herrenhaus herum und zur Klosterzelle des Großmeisters. De Molay war sehr beschäftigt. Diener packten seine Truhen und Kisten. Das Bett war abgezogen, und alle Pergamente und Tintenfässer waren vom Schreibtisch verschwunden.
»Ihr wollt abreisen, Großmeister?«
De Molay gab den Dienern ein Zeichen, sich zurückzuziehen. »Ihr seid mein Gefangener, Hugh«, sagte er trocken. »Was auch immer heute abend passiert, ich werde mit Euch als Euer Gefangener nach York reiten, um den König zu treffen.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Aber deswegen seid Ihr vermutlich nicht hier?«
»Nein«, antwortete Corbett. »Ich bin gekommen, um Euch um einen Gefallen zu bitten. Ich möchte, daß Ihr sowie Branquier, Symmes und Legrave niederschreibt, was seit Eurer Ankunft in England geschehen ist.«
»Warum?«
»Weil ich das brauche.«
»Was wird damit bewiesen?«
»Nichts — nichts direkt«, log Corbett. »Aber sagt Euren Kommandanten, daß sie sich bei Monsieur de Craon über mich beschweren können, nachdem ich diesen getroffen habe. Ein solcher Bericht könnte sehr nützlich sein.« Er ging zur Tür. »Es sind immer noch ein paar Stunden, bis es dunkel wird«, meinte er, »genug Zeit.«
Corbett begab sich ins Gästehaus zurück und schlummerte eine Weile. Aus der Küche wurde Essen gebracht, und spät am Nachmittag erschien jemand aus dem Gefolge de Molays und informierte ihn, daß Monsieur de Craon eingetroffen sei. Er solle sich bereithalten. Etwa eine Stunde später gingen Corbett, Ranulf und Maltote ins Refektorium. Die Templer hatten sich bereits um die große Tafel versammelt. De Craon erhob sich, als Corbett eintrat. Sein zerfurchtes Gesicht überzog ein Lächeln.
Corbett erwiderte de Craons Händedruck nur schwach. Er mußte sich sehr zurückhalten, das listige und scharfsinnige Antlitz des anderen nicht zu ohrfeigen. »Er hat zwei Gesichter«, hatte er einmal zu Maeve gesagt. »Er ist de Craon, der Gesandte, aber seine Augen erzählen eine andere, finstere und gewalttätige Geschichte.«
Branquier, Symmes und Legrave waren ebenfalls anwesend und einer von de Craons schwarz gekleideten Schreibern, ein bleicher junger Mann mit wachsamen Augen, dessen dünnes Haar ganz kurz geschnitten war. Er sollte als de Craons Zeuge fungieren.
Als sich alle gesetzt hatten, erhob sich de Craon.
»Großmeister, ich heiße Sir Hugh Corbett willkommen, aber ich ging davon aus, daß Ihr es wart, der mich sprechen wollte. Warum ist er dann hier?«
De Craons Schreiber war bereits eifrig dabei, den Protest seines Herrn aufzuzeichnen. De Molay lächelte. Er sah auf einmal viel jünger aus. Offensichtlich genoß er es, Philipps Gesandten zu ärgern. Corbett fragte sich, wie das Verhältnis zwischen dem Großmeister und dem König von Frankreich aussah. De Craon, den das schweigende Lächeln de Molays verwirrte, setzte sich wieder.
»Sir Hugh ist hier«, de Molay rieb sich nachdenklich die Hände, »weil er ein Jäger der Seelen und ein Ergründer von Geheimnissen ist.« Er schaute Corbett an. »Die Zeit vergeht«, murmelte er, »und die Dunkelheit rückt näher.«
Corbett stand auf und ging ans Ende der Tafel. Hier konnten ihn alle sehen. Er beobachtete die Anwesenden. Ranulf hatte die Anweisung erhalten, sich mit Maltote an der Tür zu postieren. Beide hatten sie ihre gespannte Armbrust an die Wand gelehnt. »Einmal«, fing Corbett an, »gab es einen König von Frankreich, der ein Heiliger und ein Krieger war — Ludwig der Heilige, der die Kreuzesstandarte auf den Zinnen von Jerusalem hissen wollte. Das gelang ihm nicht, er starb, und die Märtyrerkrone war seine Belohnung.«
De Craon, der seinen Ärger vergessen zu haben schien, sah Corbett jetzt neugierig an.
»Zu dieser Zeit«, fuhr Corbett fort, »erhielt dieser König und Heilige Hilfe von den Templern, einem großen kriegerischen Mönchsorden, dessen Ordensregeln der heilige Bernhard persönlich festgelegt hatte. Diese Mönche hatten eine Vision. Sie wollten die heiligen Stätten in Outremer erobern und gegen die Ungläubigen verteidigen. Jahre vergingen. Es traten große Veränderungen ein, und jetzt haben wir einen König von Frankreich, einen Nachfahren Ludwig des Heiligen, Philipp den Schönen, der seine Standarte lieber über den Zinnen von London und Antwerpen flattern sieht.«
»Das muß ich mir nicht bieten lassen!« De
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