Die Hitze der Hölle
entlang, ein schmaler, stinkender Tunnel zwischen den Häusern, in dem Unrat lag und Katzen herumstreunten. Zwei Kinder versuchten gerade auf einer alten Sau zu reiten, die in den Abfällen wühlte. Von dem Bettler fehlte jede Spur. Corbett ging in den Schankraum zurück.
»Ich vermute, Schankwirt, daß es in York ebenso zugeht wie in London. Die Bettler haben ihre Reviere, bestimmte Straßenecken oder Vordächer von Kirchen. Steht normalerweise ein Bettler neben Eurer Schenke?«
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Nein, Herr. Und dort würde sich auch kein Bettler hinstellen, zu weit weg von den Marktständen, und die Gasse führt eigentlich nirgendwohin.« Er lächelte, und ein entzündeter roter Gaumen wurde sichtbar. »Außerdem trennen sich meine Gäste nur ungern freiwillig von einem Penny.«
»In diesem Fall könnt Ihr jetzt zu Euren Bierfässern zurückkehren, Schankwirt. Ihr habt nichts zu befürchten.«
Corbett gab Ranulf und Maltote ein Zeichen, und sie traten wieder auf die Trinity Lane.
»Sir.« Ein Sergeant der königlichen Hofhaltung kam auf sie zu. Er hatte eine Hand auf dem Griff seines Schwertes, in der anderen hielt er seinen Helm. »Der Earl of Surrey hat uns aufgetragen, hierzubleiben, bis Ihr fertig seid.«
»Nehmt Eure Leute, Captain«, befahl Corbett. »Begebt Euch wieder in die Abtei zum König. Richtet dem Earl of Surrey aus, daß ich ihn in Kürze aufsuchen werde. Wo sind unsere Pferde?«
Der Soldat hob die Hand, und ein Bogenschütze kam mit ihren Pferden.
»Ihr werdet sie führen müssen«, sagte der Soldat. »Die Straßen sind voller Menschen.«
Als die Trinity Lane hinter ihnen lag, sah sich Corbett gezwungen, diese Einschätzung zu teilen. Nachdem das königliche Gefolge vorüber war, standen die Menschen bis zum Micklegate dicht gedrängt. Die Marktstände waren wieder aufgebaut, und es wurden wie sonst Geschäfte gemacht. Kaufleute, Straßenhändler und Gesellen versuchten, sich die Festtagsstimmung in der Stadt zunutze zu machen. Corbett führte sein Pferd, Ranulf und Maltote gingen hinter ihm. Sie kamen nur langsam voran. Vor der St. Martin’s Church hatte eine Schauspielertruppe auf zwei Karren eine provisorische Bühne errichtet und spielte zur Freude der Menge ein Stück über Kain und Abel. Als Corbett vorbeikam, war Gott, eine in ein Laken gehüllte Gestalt mit einem goldenen Heiligenschein auf dem Hinterkopf, gerade im Begriff, Kain mit dem Kainsmal zu zeichnen, einem roten Kreuz. Wenn es doch nur so einfach wäre, dachte Corbett. Wenn das Kainsmal doch nur auf der Stirn von jedem Assassine oder potentiellen Mörder leuchten würde.
»Glaubt Ihr, daß der Templer Helfershelfer hatte?« fragte Ranulf, der aufgeholt hatte.
»Ja«, antwortete Corbett. »Wie lange haben wir gebraucht, um von der Seite des Königs in diese Dachkammer zu kommen?« Ranulf überlegte eine Weile. Eine Gruppe Kinder lief hinter einem Holzreifen her und an ihnen vorbei. Und dann kam eine Promenadenmischung, ein mageres gerupftes Huhn in der Schnauze. Sie wurde von einer erzürnten Hausfrau verfolgt, die aus vollem Hals schrie.
»Sie sprechen hier schon seltsam«, meinte Ranulf. »Schneller und abgehackter als in London.«
»Aber die Mädchen sind genauso hübsch«, entgegnete Corbett. »Ich habe dir eine Frage gestellt, Ranulf. Wie lange, meinst du, haben wir gebraucht?«
»Ungefähr so lange wie zehn Ave Maria.«
Corbett dachte daran, wie er sich durch die Menge gedrängt, die Orientierung verloren, die Schenke betreten hatte und schließlich die Treppe hinaufgegangen war.
»Ihr glaubt, daß sie zu zweit gewesen sind?« fragte Ranulf.
»Ja. Die Tür der Kammer war verschlossen. Vermutlich hat der Komplize des Armbrustschützen auf dem Weg nach unten den Schlüssel umgedreht und abgezogen. Mir fiel auf, daß der Schlüssel fehlt.«
»Ihr habt also nach dem Bettler gesucht?«
»Vielleicht, doch das erklärt auch nicht alles«, antwortete Corbett. »Murston muß diese beiden Bolzengeschosse abgefeuert haben. Aber wie war es möglich, einen Berufssoldaten in so kurzer Zeit umzubringen? Wieso leistete er keinen Widerstand? Und was ist mit diesem schrecklichen Feuer, das seinen Körper in Blitzesschnelle verbrannte?«
»Der andere hat ihn vielleicht umgebracht«, meinte Ranulf, »ist dann nach unten gelaufen und hat dort so getan, als wäre er nur ein Bettler. Diesen habt Ihr schließlich umgerannt.«
»Das sind bloß Mutmaßungen«, entgegnete Corbett.
Er faßte die Zügel seines Pferdes
Weitere Kostenlose Bücher