Die Hitze der Hölle
noch bei Master Hubert Seagrave zu tun, Ranulf, den königlich approbierten Weinhändler und Eigentümer der Greenmantle Tavern in der Coppergate Lane. Wir sollen dem Großmeister ein Geschenk überbringen.«
Corbett spähte in die engen Straßen vor sich. Blut und Fleischabfälle bedeckten die Pflastersteine, eine blutige Schmiere. An den Ständen zu beiden Seiten hingen die ausgeweideten Kadaver von Schafen, Lämmern und Schweinen. Corbett wendete.
»Laß uns einen anderen Weg nehmen.«
Als er sich umdrehte, schwirrte ein Armbrustbolzen an seinem Gesicht vorbei und schlug in den Putz des Hauses hinter ihm ein. Corbett war sprachlos. Ranulf ergriff seine Zügel, und sie galoppierten eine schmale Gasse entlang auf die Coppergate Lane zu. Kaufleute, Lehrlinge, Bettler, Kinder und nach Futter suchende Hunde und Katzen brachten sich vor den donnernden Hufen in Sicherheit. Die Geistesgegenwärtigeren hoben Unrat vom Boden auf und warfen ihn auf die drei Reiter, denn Maltote hatte sich Corbett und Ranulf rasch angeschlossen. Als sie die Coppergate Lane erreicht hatten, zügelte Corbett sein Pferd. »Wer hat den abgeschossen?« fragte er.
Ranulf wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Das weiß der Himmel, aber ich reite ganz sicher nicht zurück, um das herauszufinden.«
Corbett stieg ab und befahl Ranulf und Maltote, das ebenfalls zu tun.
»Nehmt hinter den Pferden Deckung!« befahl er.
Sie gingen die Coppergate Lane entlang. Ein Kaufmann lief auf sie zu und beklagte sich über ihren rücksichtslosen Galopp. Ranulf zog sein Schwert und rief, daß sie in Geschäften des Königs unterwegs seien, und der Mann wich zurück.
»Was war das, eine Warnung?« fragte Ranulf.
»Das glaube ich nicht«, antwortete Corbett. »Wenn ich mich nicht gerade umgedreht hätte, dann wäre das ein Treffer gewesen.«
»Sollen wir zurückgehen?« fragte Maltote. »Vielleicht...«
»Sei nicht blöd!« knurrte Ranulf. Er deutete auf die Häuser zu beiden Seiten der Straße. »Fenster, Türen, Gäßchen, Nischen und Winkel. Du könntest eine ganze Armee in York verstecken.« Corbett ging weiter. Er wünschte nur, sein Magen würde sich endlich beruhigen. Daß er noch einmal so knapp davongekommen war, ließ ihn schwindeln, und kalter Schweiß bedeckte seine Glieder. Er versuchte sich abzulenken, indem er die Menschen mit ihren bunten Kleidern um sich herum betrachtete und auf die Rufe der Marktschreier lauschte. Trotzdem blieb die Angst. Er war kurz davor, sein Schwert zu ziehen und auf die Menge loszudreschen. Außerdem gingen ihm Maeve und seine kleine Tochter Eleanor nicht aus dem Sinn. Sie werden gerade mit dem Frühjahrsputz beschäftigt sein, dachte er, jetzt in diesen ersten warmen Tagen. Maeve stellt vermutlich wieder alles auf den Kopf. O Gott, würde sie das vielleicht gerade auch tun, wenn der Bote die Allee zum Herrenhaus hinaufgeritten kam? Würde sie ihm entgegenlaufen? Wie würde sie die Nachricht vom König aufnehmen, daß sein betrauter und über alles geschätzter Bevollmächtigter, ihr Ehemann, tot sei, ermordet in York von der Hand eines Meuchelmörders? Er hörte, wie von weit entfernt sein Name gerufen wurde.
»Herr? Sir Hugh?«
Corbett blieb stehen und schaute Ranulf an.
»Was gibt’s?« fragte Corbett mit rauher Stimme. Mund und Lippen waren trocken wie Pergament.
»Wohin gehen wir eigentlich?« fragte Ranulf mit leiser Stimme. Daß Corbett so bleich war, beunruhigte ihn.
»Ich habe einen Fehler gemacht, Ranulf«, gestand Corbett. »Es tut mir leid, aber wir hätten York verlassen sollen.«
»Unsinn«, Ranulf ergriff die Hand seines Herrn. Sie war eiskalt. »Wir gehen jetzt zur Greenmantle Tavern, holen dort das Faß Wein und reiten nach Framlingham. Dann sagen wir diesen Schweinen von Templern, daß sie das Anwesen nicht verlassen dürfen, und Ihr stellt Eure Fragen. Ihr setzt Euch hin und denkt nach, wie Ihr das immer tut. Und noch vor Christi Himmelfahrt werdet Ihr einen weiteren Verbrecher seiner gerechten Strafe überantwortet haben. Kommt schon«, drängte ihn Ranulf, »Kopf hoch. Schließlich bin ich es, der seine Lucia verlassen muß.«
»Seine Lucia?« fragte Corbett.
»Herr, sie ist das schönste Mädchen in ganz York.« Ranulf ging weiter. »Sie hat Haar schwarz wie die Mitternacht, Haut wie weiße Seide und Augen«, er deutete auf den Himmel zwischen den sich nach vorne neigenden Fassaden, »blauer als das.« Er drehte sich nach Maltote um. »Und dann hat sie noch eine Schwester. Das
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