Die Hitze der Hölle
weiß nicht, Sir. Ich habe durchaus schon gesehen, wie Männer in der Küche verbrannten, besonders, wenn sie versehentlich Öl ins Feuer gossen; die Verbrennungen der Hände und des Gesichts waren fürchterlich. Gelegentlich verbrühen wir auch unsere Beine und Füße.« Der Mann zog einen Lumpen unter seiner Schürze hervor und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Aber, Herr«, er trat so nah an Corbett heran, daß diesem sein Körpergeruch in die Nase stach, »so etwas habe ich noch nie gesehen. Ein guter Mann, der sich in Sekundenschnelle in eine lebende Fackel verwandelt.«
Corbett ging zum Hinterausgang der Küche, den man aufgerissen hatte. Der beißende Gestank verbrannten Fleisches hing immer noch schwer in der Luft. Aus der Halle hörte er Gemurmel. Im Freien klapperten im Dunkeln Kettenpanzer. Er blieb in der Türöffnung stehen und schaute zum Mond, der sich in den Pfützen auf dem gepflasterten Hof spiegelte.
»Was habt Ihr gesehen?« fragte Corbett. »Ich meine im ersten Augenblick?«
»Die Flammen.« Der Mann strich sich über die Schürze. »Sie hüllten ihn von vorne ein, seine Brust, seinen Bauch und seine Hände. Sogar die Wollhandschuhe standen in Flammen.«
»Habt Ihr heute abend etwas Besonderes bemerkt?«
»Nein, Sir!«
»Nichts?« fragte Corbett.
»Wir hatten viel zu tun, Sir.«
»Und niemand kam in die Küche? Weder vor dem Mahl noch während des Tages?«
»Ich habe niemanden bemerkt, Sir!«
»Was habt Ihr dann gesehen?«
Der Koch verzog das Gesicht. »Da ist dieser Reiter...«
»Welcher Reiter?«
»Maskiert, mit Kapuze und mit einem riesigen Zweihänder am Sattelknauf.« Der Mann trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe ihn nur einmal gesehen. Ich jagte gerade, nun ja, Kaninchen in den Wäldern hier in der Gegend. Er saß wie der Schatten des Todes zwischen den Bäumen und starrte auf das Herrenhaus. Er bewegte sich nicht — ich ergriff die Flucht.« Corbetts Herz setzte einen Schlag aus. Lauerte in den Wäldern zwischen Framlingham und York ein unbekannter Gewaltverbrecher?
»Meint Ihr, daß dieser maskierte Reiter aus Framlingham kam?«
»Ich weiß nicht; aber über diesem Haus liegt ein Fluch«, sagte der Koch hastig. »Einige von uns wohnen hier draußen, der Rest, wie Peterkin, in der Stadt. Wir haben von diesem seltsamen Mord bei Botham Bar gehört. Früher war es immer so ruhig, Sir, ehe die Kommandanten mit ihren Soldaten hierherkamen. Jetzt singen sie seltsame Hymnen zu allen Nachtstunden. Teile des Hauses sind gesperrt! Und dann war da der Tod von Sir Guido. Er war ein guter Mann, etwas mürrisch, aber nicht unfreundlich — darüber mußte Peterkin auch lachen.«
Corbett drehte sich überrascht um. »Was meint Ihr damit?«
»Er sagte, das Feuer, das Sir Guido getötet habe, sei aus der Hölle gekommen, ein Höllenfeuer.«
»Wieso das?« fragte Corbett.
Der Koch schaute auf die Tür, die zum Refektorium führte, dann auf eine weitere Silbermünze, die Corbett zwischen den Fingern hielt.
»Es gibt da Gerüchte«, meinte er.
»Gerüchte worüber?« bohrte Corbett. »Kommt schon, Ihr habt nichts zu befürchten.«
»Einer der Küchenjungen sah einen der Templer.« Der Koch machte eine Pause.
»Ihr meint, einen der Kommandanten?«
»Ja. Ich weiß nicht, welchen, aber, nun, er sah, wie dieser einen anderen Mann küßte. Ihr wißt schon, Sir, so wie man eine Frau küßt. Und, um Euch diese Frage zu ersparen: Er konnte auch nicht erkennen, wen er küßte.«
»Seid Ihr Euch da sicher?« fragte Corbett.
»Ganz sicher. Er kam einen Korridor entlang und erhaschte einen Blick auf den Kommandanten, der mit dem Rücken zu ihm stand. An dem Umhang, den er trug, sah er, daß es sich um einen der Besucher handelte. Ich denke, der andere war ein Sergeant der Templer, ein jüngerer Mann. Ihr habt selbst feststellen können, wie dunkel es hier in den Gängen ist, Sir. Sie standen im Schatten. Der Küchenjunge bekam es mit der Angst zu tun, drehte sich um und nahm die Beine in die Hand. Jedenfalls lachte Peterkin gerade über diese Geschichte. Ihm gelang es immer, alles in einen Witz zu verwandeln. Er sagte: >Hier stinkt es nach Schwefel aus der Hölle.< Und dann passierte es.« Der Koch nahm Corbett die Münze aus den Fingern. »Jetzt gehe ich, Sir.«
Er trat aus der Küche in die Halle. Corbett hörte laute Stimmen, und als er wieder in das Refektorium kam, sah er, wie der Koch die anderen zur Tür führte.
»Ich konnte sie nicht daran hindern«, sagte de Molay.
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