Die Hitze der Hölle
»Sie sollen zum Schatzmeister gehen, sich ihren Lohn holen und verschwinden. Was meint Ihr, Sir Hugh?« Der Großmeister trat in den Lichtschein der Kerzen auf dem Tisch und setzte sich, den Kopf in die Hände gestützt, hin. Ranulf und Maltote ließen sich ebenfalls auf Stühlen nieder. Beide hatten einiges getrunken. Das war ihnen anzumerken.
»Ich habe schon ähnliche Unfälle gesehen«, meinte Ranulf. »Männer, die in den Londoner Garküchen verbrannten.«
»So nicht«, entgegnete Corbett und nahm gegenüber von de Molay Platz.
Der Großmeister schaute auf. Er schien um Jahre gealtert. Seine stahlgrauen Haare waren zerzaust, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sein Antlitz hatte jede Heiterkeit und alles Herrische verloren. »Satan greift von allen Flanken an«, murmelte er.
»Wieso sagt Ihr das?« fragte Corbett. »Das in der Küche könnte auch ein Unfall gewesen sein.«
De Molay lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Das war kein Unfall, Corbett. Erst der Mord bei Botham Bar, dann der Angriff auf den König, der Tod von Sir Guido und jetzt das hier!«
»Warum sollte es der Satan auf Euch abgesehen haben?«
»Das weiß ich auch nicht«, fauchte der Großmeister und erhob sich, »aber wenn Ihr ihm begegnet, Corbett, dann könnt Ihr ihm diese Frage ja persönlich stellen!« De Molay verließ mit langen Schritten das Refektorium und knallte die Tür hinter sich zu.
Corbett erhob sich ebenfalls und gab Maltote und Ranulf ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Hört zu! Von jetzt ab schlafen wir im selben Zimmer. Wir halten abwechselnd Wache. Seid vorsichtig mit dem, was ihr eßt und trinkt. Geht nicht alleine irgendwohin.« Corbett seufzte. »Was mich betrifft, haben wir hier wieder dieselben Verhältnisse wie auf dem Feldzug nach Schottland. Der einzige Unterschied ist, daß wir damals wußten, wer die Feinde waren. Jetzt wissen wir nicht einmal das!«
Sie gingen in Richtung des Gästehauses. Auf einmal blieb Corbett stehen. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Jemand rannte durch die Dunkelheit auf sie zu. Aber es war nur ein Diener, der seine Habseligkeiten zu einem Bündel verschnürt hatte und sich beeilte, zum Tor zu kommen.
»Morgen früh sind sie alle weg«, sagte Ranulf. »Und wenn es nach mir ginge, Herr, würden wir es ihnen gleichtun!«
»Und wohin?« fragte Corbett. »Zu Edward nach York oder nach Leighton Manor?«
Ranulf verweigerte die Antwort. Wieder im Gästehaus stand Maltote schläfrig Wache vor der Tür. Corbett bat Ranulf, zu ihm ins Zimmer zu kommen. Der Diener setzte sich auf einen Hocker. Corbett betrachtete ihn neugierig. Der sonst so freche Ranulf war bleich, und er hatte seine übliche Gelassenheit eingebüßt.
»Was ist los?« wollte Corbett wissen.
»Ach nichts.« Ranulf trat gegen die Binsen, die den Fußboden bedeckten. »Ich bin so glücklich, daß ich mir vorstellen kann, ebenfalls Templer zu werden.« Er schaute Corbett finster an. »Ich verabscheue dieses verdammte Framlingham. Ich mag die Templer einfach nicht. Ich weiß nicht, was ich von ihnen halten soll. Was sind sie eigentlich? Mönche oder Soldaten? Der Bibliothekar ist ja vielleicht ein feiner alter Mann, aber bei den anderen läuft es mir kalt den Rücken runter.«
»Du hast einfach Angst, oder etwa nicht?« Corbett setzte sich auf die Bettkante.
Ranulf kratzte sich am Kopf. »Nein, Herr, ich habe keine Angst, mich hat das blanke Entsetzen gepackt. Maltote denkt nur an Pferde. Er redet über nichts anderes. Was hier abläuft, hat er noch nicht in seinen dicken Schädel bekommen.« Ranulf klopfte auf den Dolch in seinem Gürtel. »Ich weiß, wie man mit seinen Feinden fertig wird, Herr, Straßenräuber in schmalen Gassen, Meuchelmörder in dunklen Zimmern. Aber das hier? Menschen, die einfach in Flammen aufgehen? Rätselhaft! Reverchien in der Mitte des Labyrinths, dieses arme Schwein in der Küche...«
»Für jedes natürliche Phänomen«, sagte Corbett, »das waren schon Aristoteles’ Worte, gibt es auch eine natürliche Ursache.«
»Das kann er sich sonstwohin schreiben!« fauchte Ranulf. »Dieser verdammte Aristoteles ist auch nicht hier. Wenn dieser Idiot das wäre, würde er sich das ziemlich bald anders überlegen!« Corbett mußte lachen.
»Ihr findet das vielleicht lustig, Herr«, knurrte Ranulf. »Wir sind jetzt erst ein paar Stunden hier, und man hat uns bereits bedroht, auf uns geschossen und uns im Irrgarten verfolgt.«
Corbett nahm Ranulfs Hand. »Ja, ich habe auch Angst, Ranulf.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher