Die Hitze der Hölle
Feuer, besonders dann, wenn es gerinnt. Bruder Odo, Gott sei seiner Seele gnädig, muß das auch erkannt haben. Er las in seiner Chronik und dachte dann an die Feuergeschosse, die die Türken nach Akka katapultiert hatten. An diesen war nichts Außergewöhnliches. Eine Mischung aus Teer und Pech, mit der ein paar Lumpen getränkt wurden, und die entzündet wurde, wenn das Geschoß bereits auf dem Katapult lag. Dann wurde es zu den Verteidigern der Stadt hinübergeschleudert. Ich habe bei anderen Belagerungen schon ähnliches beobachtet. Stroh oder Lumpen werden mit Schwefel bedeckt und dann angezündet.
Aber das Feuer hier ist anders. Odo erkannte das. Als jemand, der die Kunst der Kriegsführung studiert hatte, erinnerte er sich an zwei Schriften. Die erste ist eine sehr alte Abhandlung, die >Iiber Ignium< oder >Das Buch der Feuer< heißt. Die zweite ist viel interessanter. Es handelt sich um ein Traktat des Mönchs Bacon, das >De Secretis Operibus Artis et Naturae< heißt. In diesen beiden Werken wird eine sehr gefährliche Substanz beschrieben, eine Mischung von Elementen, die sich, wenn sie mit einer Flamme in Berührung kommt, kaum löschen läßt, nicht einmal mit Hilfe von Wasser.«
»Und Ihr glaubt, daß die Morde damit verübt wurden?« fragte Ranulf.
»Vielleicht. Im >Liber< ist von einer Mischung aus Schwefel, Weinstein und einer Substanz, die als Sal Coctum, gekochtes Salz, bezeichnet wird, die Rede. Bacon ist da genauer. Er erwähnt eine Substanz, die Salpeter genannt wird. Bruder Bacon verschlüsselte seine Entdeckung in Rätsel und Anagramme, aber wenn man ihm glauben kann, dann entzündet sich eine Mischung aus Salpeter, Schwefel und Weinstein sofort.«
»Aber Ihr habt doch gesagt«, wandte Ranulf ein, »daß Bacon von vielen für etwas beschränkt gehalten wurde.«
»Ich bezweifle, daß er das wirklich war«, erwiderte Corbett. »Bruder Bacon hatte seine Gelehrsamkeit von den Arabern. Den Arabern zufolge kannten sowohl die alten Griechen diese Substanz als auch die Armeen von Byzanz, die mit ihr die Flotten der Mohammedaner zerstörten. Daher auch der Name >Griechisches Feuer< oder >Seefeuer<.«
»Natürlich haben alle Kommandanten des Templerordens in Outremer Dienst getan. Sie kennen möglicherweise dieses Geheimnis.«
»Was wichtiger ist, die Templer besitzen einige der besten Bibliotheken der Welt, besonders in London und Paris«, entgegnete er und biß in sein Brot. »De Molay und seine Gefährten kennen vielleicht das Geheimnis, sie sind jedoch im Augenblick zu sehr damit beschäftigt, was in ihrem Orden passiert. Sie haben nur einen Blick für die schrecklichen Todesfälle und den damit verbundenen Skandal.« Corbett nahm einen Schluck Ale. »Bei Bruder Odo war das anders. Er war distanzierter, abgeklärter, er war ein wahrer Gelehrter. Die Ermordung von Reverchien muß Erinnerungen in ihm wachgerufen haben. Er suchte ebenfalls nach dem, was ich schließlich fand.«
»Aber könnt Ihr das alles beweisen?« fragte Ranulf.
»Wenn das nötig sein sollte, ja, ich glaube jedoch...«
Die Tür wurde unvermittelt aufgerissen, und de Molay stürzte ins Zimmer. »Sir Hugh, Ihr müßt sofort mitkommen! Es ist Baddlesmere...«
Der Großmeister machte kehrt, und Corbett blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Ranulf und Maltote schlossen sich ihnen an. De Molay eilte mit großen Schritten voran, ohne sich umzudrehen. Er überquerte den Hof des Herrenhauses zu den Häusern der Diener, erklomm eine Treppe und ging schließlich einen schmalen Korridor entlang. Die Wachen, die vor der Kammer standen, öffneten die Tür. De Molay trat ein, und Corbett folgte ihm.
»O mein Gott!«
Der Bevollmächtigte wandte den Blick ab. Baddlesmere, nur mit Hemd und Strümpfen bekleidet, hing an einem Laken, das um einen Deckenbalken geschlungen war. Er bot einen fürchterlichen und gleichzeitig kläglichen Anblick. Sein Antlitz hatte sich dunkelviolett verfärbt, seine Augen quollen hervor, und die Zunge ragte aus seinen halbgeöffneten Lippen. Seine Leiche drehte sich wie eine groteske Puppe in der Brise, die durch die schießschartenschmalen Fenster hereinkam. Corbett zog seinen Dolch, schnitt mit Ranulfs Hilfe den Toten herunter und legte ihn auf das Feldbett. De Molay war mit wächsernem Gesicht, dunkle Ringe unter den Augen, in der Tür stehengeblieben. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schüttelte dann aber nur den Kopf.
»Großmeister, was wolltet Ihr sagen?«
De Molay bewegte die Lippen,
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