Die Hitzkammer
aufzunehmen?«
Fetzer schwieg.
Hinter einer Hausecke erscholl der Ruf: »Geizhals, Geizhals! «
Lapidius achtete nicht darauf. Er ahnte, dass sein Vorgehen nicht gerade geschickt gewesen war, konnte nun aber nicht mehr zurück. »Oder wart Ihr auf dem Weg zu einer gewissen – Höhle?«
In Fetzers Gesicht zuckte es. Dann schaute er wieder unbeteiligt.
»Ihr wisst, von welcher Höhle ich spreche?«
»Nein, weiß ich nicht.« Der Stadtschreiber sprach mit leiser, etwas quäkender Stimme.
»Warum habt Ihr Euch dann eben erschreckt?«
»Ich … ich habe mich nicht erschreckt.«
Lapidius merkte, dass er so nicht weiterkam. »Ich schlage vor, wir gehen in Eure Kammer, nicht j eder muss hören, worüber wir sprechen.«
Nun kam wieder Leben in Fetzer. Er hinkte rückwärts in seine Tür zurück und quäkte: »Ich habe Fieber, Herr, hohes Fieber. Und ich weiß nicht, wovon Ihr redet.«
»Dann will ich Euch von Eurer Unwissenheit befreien. Und ich will es laut tun, damit j eder hören kann, was ich sage: Ich glaube, dass Ihr ein Mörder seid. Ich glaube, dass Ihr ein Sohn des Teufels seid, denn ich …«
»Geizhals!«, wurde Lapidius schon wieder unterbrochen.
»… denn ich bin Euch auf die Spur gekommen, was Ihr getrost wörtlich nehmen könnt, oben auf dem Otternberg war es, als ich den Eingang …«
Abermals rief es hinter der Hausecke »Geizhals!«, und diesmal wurde es Lapidius zu bunt. Er fuhr herum und wollte sich die Frechheiten endgültig verbitten, als er ein Zischen hörte und einen kräftigen Luftzug in seinem Nacken spürte. Was war das gewesen? Er wandte sich dem Stadtschreiber wieder zu und bemerkte ein Messer, das zitternd in einem Pfosten von Fetzers Tür steckte und das ihn, wäre er nicht abgelenkt worden, mit Sicherheit getroffen hätte.
Lapidius wurden die Knie weich.
Fetzer war verschwunden.
Lapidius blickte sich um, konnte aber niemanden entdecken. Und dann rannte er fort, so schnell ihn seine Beine trugen. Und während er rannte, wurde ihm eines zur Gewissheit:
Der Stadtschreiber Wilhelm Fetzer war tatsächlich ein Filius Satani. Lapidius befand sich im Laboratorium und ärgerte sich, wie er sich noch nie in seinem Leben geärgert hatte. Alles hatte er falsch gemacht. Wie ein dummer Junge war er vorgegangen und hatte die Befragung verpatzt. Statt Fetzer für sich einzunehmen, hatte er nur dessen Verstocktheit herausgefordert – und war selbst dabei fast zu Tode gekommen. Andererseits: Er konnte den Stadtschreiber nicht zu einem Geständnis zwingen, und die Möglichkeit, den Mann für weitere Befragungen hinter Gitter zu bringen, war ebenfalls auszuschließen. Zu dürftig waren die Anklagepunkte: Die Spur des Hinkers vor der Sabbathöhle – sie war sicher längst getaut. Das nach ihm geworfene Messer – es war sicher längst entfernt. Nein, es half nichts. Fetzer durfte sich weiter seiner Freiheit erfreuen.
Lapidius seufzte und erhob sich von seinem Lieblingsstuhl. Er musste Geduld haben und Baustein auf Baustein setzen, um das Beweisgebäude gegen die Mörder unumstößlich zu errichten. Dazu gehörte die Überprüfung des Fläschchens aus der Sabbathöhle. Er holte es hervor, entfernte den Pfropfverschluss und roch daran. Wie schon beim ersten Mal konnte er den Geruch nicht richtig einordnen. Zwar erinnerte er ihn an Bilsenkraut, aber er war seiner Sache nicht sicher. Dann kam ihm ein Gedanke. Er hatte ja noch die Bilsenkrautprobe von Veith, dem Apotheker. Er nahm sie ebenfalls zur Hand und steckte seine Nase hinein. Ja, eine Ähnlichkeit war da, zweifellos. Wahrscheinlich bestand der Trank im Fläschchen nicht nur aus Hyoscyamus niger, sondern auch aus anderen Stoffen.
Lapidius musste es genau wissen. Deshalb entschloss er sich zu einem Eigenversuch. Er wollte von dem Trank kosten, um zu sehen, welche Wirkung er zeitigte. Die Frage war nur, wie groß die Menge sein sollte. Er schloss die Augen und nahm einen Schluck. Der Trank schmeckte so bitter, wie er roch. Trotzdem nahm er zwei weitere Schlucke und pfropfte danach das Fläschchen wieder zu.
Dann wartete er auf die Wirkung. Doch die blieb aus. Jedenfalls zunächst. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken, als er an das Messer dachte, das ihn so knapp verfehlt hatte. Wieder ein Schauer. Der Messerwerfer hatte zweifellos einen Grund gehabt, ihm nach dem Leben zu trachten, denn er, Lapidius, war drauf und dran gewesen, den geheimen Ort der Teufelsrituale preiszugeben. Wer mochte die Klinge geschleudert haben? Die frechen
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