Die Hitzkammer
gereizt.
Marthe schniefte. »Ogottogott, Herr. War drüben bei Traute Schott, nurn kurzen Moment, wirklich, nurn kurzen Moment. Un sie hat was erzählt, wassich nich wusst, alle wusstens, nur ich nich, nur ich nich, un Traute hat gelacht, weil sie dacht, ich wüssts, aber ich wussts nich, weilich immer nur für Euch putz un koch, komm j a kaum raus, hör nix, krieg nix mit …«
»Ja, Marthe, zur Sache.«
»Also, der Koechlin ihr Mann, Walter heißter, is tot, vorn paar Tagen wars, da hamse ihn gefunden. Mausetot. Besoffen soller gewesen sein, un er hatte den Krug noch inner Hand.«
»Was ist daran so ungewöhnlich? Er wäre nicht der Erste, der sich zu Tode getrunken hat.« Lapidius massierte seinen dröhnenden Schädel.
»Er is kein Säufer nich gewesen, hat nie nich getrunken, das isses, Herr. Komisch, nich? Un man sacht, die Leiche hatter Büttel wechgekarrt, un die Leute sin sicher, dasser mit der Koechlin was hat un dasse deshalb auch nich trauert un so. Oh, was steckt da bloß alles hinter! Essis so furchbar. Huuu … huuu! «
Lapidius fragte sich, was Marthe wohl mehr zu Herzen ging: der mysteriöse Tod des Bergmanns oder der Umstand, dass sie erst heute davon erfahren hatte. Wenn man bedachte, wie schnell sich die Leute das Maul zerrissen, mochte das Dahinscheiden des Walter Koechlin allerdings sehr wohl mit rechten Dingen zugegangen sein. Der Pöbel neigte zu Übertreibungen und sah Dinge, die es nicht gab. Wer sagte denn, dass der Bergmann nicht getrunken hatte! Nicht j eder, der dem Alkohol verfallen war, zeigte dies so ungeniert wie der alte Holm.
Bedenkenswerter schien die Behauptung, dass Auguste Koechlin eine Liebschaft mit Krabiehl eingegangen war. Hatte er die beiden nicht selbst gesehen, eng miteinander turtelnd und Krabiehls Hose bereits geöffnet? In des Büttels Dienstraum war es gewesen. Lapidius erinnerte sich genau daran. Gab es Verbindungen zwischen den Zeuginnen und Krabiehl und den Söhnen des Teufels? War der Büttel ein Filius Satani? Der dritte neben Tauflieb und Fetzer?
»Marthe«, sagte Lapidius, der sich nach seinem Lieblingsstuhl sehnte, »mach dir nicht so viele Gedanken. Und frage mich bitte nicht, ob ich jetzt etwas essen will. Ich muss mich ausruhen.«
Lapidius wurde von lauten Rufen geweckt. Er fuhr von seinem Stuhl hoch, leidlich erfrischt, wenn auch nicht vollends frei vom Kopfschmerz. Da ertönte das Brüllen wieder. Jemand rief Gorms Namen.
Er stand auf, eilte durchs Haus in die Küche und trat ans rückwärtige Fenster, von wo aus er Tauflieb auf dem Hof entdeckte. Einen wütenden Tauflieb, der seinen Hilfsmann am Ärmel vom Brunnen fortzerrte.
Gorm hatte die ganze Zeit geschöpft!
Der halbe Platz stand unter Wasser. Fast hätte Lapidius aufgelacht. Er hätte wissen müssen, dass Gorm nicht in der Lage war, bis hundert zu zählen, und einfach immer weitermachen würde. Wie ein Automat. Der Meister und sein Hilfsmann verschwanden hinter den Johannisbeersträuchern. Lapidius kehrte in sein Laboratorium zurück. Wo war Marthe? Nun, wahrscheinlich brachte sie ihrer Mutter das Essen. Den Kopf voller Gedanken, setzte er sich. Plötzlich wurde es abermals laut. Fäuste schlugen gegen die Hoftür. Was war das nun wieder? Jemand rief nach ihm. Tauflieb? Lapidius ging in die Küche und sah den Meister wutschnaubend auf dem Hof herumspringen. Was wollte der Mann? Sollte er öffnen und ihm auf den Kopf zusagen, dass er ein Teufelssohn war? Nein, eingedenk des ungeschickten Verhaltens, das er bei Fetzer an den Tag gelegt hatte, und seines noch immer schmerzenden Schädels kam das nicht in Frage. Mochte der Meister so lange klopfen, wie er wollte – er würde nicht öffnen.
Lapidius suchte wieder seine vertrauten Gefilde auf und setzte sich. Von Tauflieb war mittlerweile nichts mehr zu hören, sicher hatte er sich getrollt. Tauflieb. Und Fetzer. Und vielleicht Krabiehl. Bei den beiden Ersten glaubte er sicher zu sein, in ihnen die Mörder von Gunda Löbesam und der geköpften Frau erkannt zu haben. Beim Büttel jedoch bedurfte es weiterer Nachforschungen. Unter anderem war zu klären, mit welchem Wagen er den toten Walter Koechlin fortgeschafft hatte. Wenn es Freyjas Karren gewesen war, kam das schon fast einem Schuldbeweis gleich. Überhaupt die Beweise. Wie blauäugig war er doch an die ganze Sache herangegangen! Er hatte gedacht, es genüge, herauszufinden, wer sich hinter den Filii Satani verbarg; j etzt sah er ein, dass es damit noch lange nicht getan war. Er musste
Weitere Kostenlose Bücher